Freitag, 22. Januar 2010

Suche nach der Leere

Ich möchte hier einmal einige Zitate aus dem aktuellen Buch von Gerd-Lothar Reschke („Selbsterkenntnis und die Erfahrung der Leere“) zusammenstellen, die mir derzeit als Wegorientierung dienen.

“Dem Ich bleibt nur die Niederlage, der völlige Untergang, soviel ist klar. Vorher muß es aber noch seinen ganz persönlichen „Großen“ Kampf liefern, den Kampf, der ihn zur endgültigen Demütigung hinführt. Und unbewußt strebt das Ich das auch ganz gezielt an. Weil es weiß, daß dahinter die Befreiung von sich selbst heraufdämmert, und damit die wahre Erlösung. […] Deshalb besteht das tiefere Geheimnis der Dekadenz in ihrem Streben nach der erlösenden Katharsis der vollständigen Niederlage.“ (S. 85)

“Das Loslassen und Einsinken ist die Vorbereitung zur Erfahrung der Leere. Gleichnisse nützen hier gar nichts, auch die sogenannten spirituellen Parabeln nicht. Denn es gibt weder eine Lehre noch Lehrbeispiele oder gar Schlußfolgerungen – jeder ist sein eigener, noch nie dagewesener, völlig unverwechselbarer Fall. Gerade darin, zu diesem Einsinken in das ureigene So-Sein, ist Bestärkung nötig – Bestärkung durch das Wissen, daß auch andere genau in dieser Situation eines absolut individuellen Nichtwissens und Nicht-weiter-Wissens gewesen sind; daß auch sie kapituliert, auf ganzer Linie existentiell kapituliert und sich hingegeben haben.“ (S. 285)

“Es ist die Suche des Selbst nach Erkennen seiner selbst, die zum Verstehen führt. Jeder führt sich selbst zum Verstehen, und dieses Verstehen ist stets Wiedererinnerung.“ (S. 475)

„Es hat alles mit Hingabe zu tun. Wer sich völlig hingeben kann (sich dem Geschehen der Hingabe ausliefern kann), der ist eins mit seinem Sein – der ist angekommen.“ (S. 525)

“Völlige Hingabe an die Einheit ist die unbedingte Voraussetzung. In dieser Hingabe wird das Ich der Wahrheit wie eine Opfergabe dargeboten. Wäre jeder nur sein Ich, dann wäre dieser Akt selbstverständlich unmöglich.“ (S. 589)


Die Eskapaden meines Egos in den letzten Monaten interpretiere ich als so einen Kampf (ob es der letzte war, muß natürlich die Zukunft erweisen, denn ich bin das Ego ja nicht losgeworden), ich habe mich da kräftig ausgetobt. Und zum erlösenden Abschluß gab es sehr viel Demütigung und Katharsis für mich. Das bekam ich wiederholt von außen, das kann man ja nicht selber „machen“. Ich bin einfach mit meinem Verhalten immer wieder bei verschiedenen Menschen voll an eine Wand gelaufen. Das war jedesmal schmerzhaft und ernüchternd.

Von innen arbeite ich mit Hingabe und Loslassen, ebenfalls bereits seit Monaten. Immer wieder gerate ich an einen Punkt, an dem ich erkenne, daß ich etwas opfern muß, an dem ich stark hänge. Das betraf schon alle möglichen Lebensbereiche, viele gedankliche Vorstellungen und auch Gefühle. Mehrfach habe ich kapituliert. Das war immer mit großen Ängsten verbunden. Beispielsweise mußte ich mich im Herbst zeitweise krankmelden, weil ich völlig unfähig war, mich noch auf meine Arbeit zu konzentrieren und mich jedes Denken zu berufsrelevanten Themen ungeheuer quälte. Die Ängste meines Verstands gingen dahin, daß mein Verstand zerstört wird, daß ich nie wieder richtig denken kann, daß ich meinen Job verliere und keinen neuen finde, daß ich auf Hartz IV abrutschen werde usw. usf.

Das ganze Horror-Szenario war völlig überflüssig, aber diese Ängste sind es, die einen Menschen normalerweise davon abhalten zu kapitulieren und sich hinzugeben. Und da muß man durchgehen, um dann zu erleben, daß nach der Zerstörung und Katastrophe neues Leben keimt. Und zwar keimt es von ganz alleine, ohne daß man irgendetwas dabei „machen“ kann.

Beides zusammengenommen, Demütigung von außen und Kapitulation/Hingabe von innen, haben bewirkt, daß ich sehr still geworden bin (innerlich still, demütig, offen, aufnahmebereit). Für mein zum Hochmut neigendes Ego war das ein Zangengriff. Ich bin davon überzeugt, daß diese Vorbereitung für mich eine notwendige Voraussetzung war, damit bei mir zum Jahresbeginn über mehrere Tage tiefgehende Versenkungserfahrungen (samadhi, in einem Anfänger-Stadium) möglich wurden.

Nun habe ich gelernt, daß samadhi zwar eine schöne Erfahrung ist, aber auf dem Weg der Erkenntnis nicht wirklich weiterführt, daß es eine Sackgasse ist. Ich muß mich also etwas umorientieren, weiß aber noch nicht genau wie.

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