Mittwoch, 18. Mai 2011

Feuer-Übung

Hurra! Endlich durfte mir gelingen, was ich in diesem Jahr unbedingt erleben wollte: daß ich Feuer entzünde ohne Streichhölzer. Zum ersten Mal.

Ich habe dafür einen Magnesiumstab benutzt. Damit ist es leicht, einen Funkenregen zu erzeugen. Aber von diesen Funken zu einer offenen Flamme und von dort zu einem kleinen Feuer zu gelangen, ist nicht so einfach.

Ich hatte eine innere Haltung von Achtsamkeit und Dankbarkeit, war auch recht ruhig, nachdem ich zuvor im Garten gearbeitet hatte. Und so wollte sich die Flamme diesmal zeigen. Wie schön. Somit ist auch meine neue Feuerschale eingeweiht.

Damit ist die offene Aufgabe aus meinem ersten Wildnis-Seminar vor einem halben Jahr erfüllt. Das Feuernest aus Stroh, Samen und Birkenrinde, das damals nicht brennen wollte, brannte jetzt.

Demnächst werde ich dann mit Feuerstein und Stahl üben, das ist sicher noch viel schwieriger.

Jetzt habe ich so ein wunderbares, friedliches, stilles Gefühl. DANKE!

Sinne schärfen

Gestern hatte ich die Gelegenheit, schon nachmittags in den Wald zu gehen. Ich fand meinen jüngsten Sitzplatz nicht wieder. Nach dem zweiten vergeblichen Versuch, entschied ich mich, einfach erneut einen neuen Platz zu suchen. Es spricht für mangelnde Aufmerksamkeit, wenn ich so die Orientierung verliere. Auch für Unstetigkeit, wenn ich ständig neue Plätze aufsuche für meine Sitzplatzübung. Aber vielleicht muß es derzeit so sein, bis ich den „richtigen“ Platz gefunden habe?

Es geht bei mir bisher auch weniger darum, viele Tierbeobachtungen zu machen (meistens sehe ich keine), sondern eher darum, meinen Geist zu beruhigen. Gestern verlor ich mich beim Sitzen im Ausdenken von naturnahen Übungen. Eine davon probierte ich gleich im Anschluß aus. Ich habe das früher schon gerne gespielt.

Man suche sich eine halbwegs offene Fläche möglichst ohne dorniges Gestrüpp mit je einem Baum als Start- und Zielpunkt, mindestens 10m auseinander. Man präge sich die umgebende Natur etwas ein. Dann gilt es, mit geschlossenen oder verbundenen Augen von einem Baum zum anderen zu gelangen, was gar nicht so leicht ist.

Mir macht das Spaß. Es schult die Sinne, die sonst weniger Beachtung bekommen – Gehör, Geruch, Tastsinn - und das Gleichgewichtsgefühl, es führt zuweilen an die Grenzen von Angst oder Verwirrung. Wenn ich unerwartet in einem Gestrüpp lande, weil ich vom Weg abgekommen bin – suche ich dann weiter oder gebe ich gleich auf? Wie reagiere ich bei einem unerwarteten Geräusch? Hat der Vogel dort hinten noch den gleichen Platz, so daß mir sein Gesang eine Orientierung geben kann?

Ich war gestern weitgehend angstfrei, und da sehe ich schon den Erfolg der letzten Monate. Denn vor einigen Monaten fühlte ich mich noch „komisch“, wenn mich jemand am Wegrand sitzen sah, und ich zuckte bei jedem Knistern zusammen. Unterdessen bin ich unerschrockener. Gestern fühlte ich mich sicher, mitten im Gehölz ist mir bisher aber auch kein Mensch begegnet.

Ich hatte während dieses Spiels einige sehr dichte Erfahrungsmomente, als meine Aufmerksamkeit sehr nah im Hier und Jetzt und bei den Sinneseindrücken verweilte – bevor mich wieder irgendein Gedanke aus der meditativen Stille riß.

Interessant war, daß ich zweimal mein Ziel verfehlte, wobei ich einmal nur knapp daneben aufgab, das andere Mal völlig vom Weg abgekommen war. Danach probierte ich es barfuß. Und plötzlich hatte ich Erfolg. Meine Füße folgten problemlos dem schmalen leicht gewundenen Trampelpfad, der zwischen den Grasbüscheln grasfrei und überwiegend nur mit Fichtennadeln und Zapfen bedeckt war und etwa in die richtige Richtung führte. Einige kreuz und quer liegende größere Äste gaben zusätzlich Orientierung.

„Schuhe sind wie Augenbinden für die Füße“ – diese Aussage einer südamerikanischen weisen Frau fand ich so bestätigt. Wenn schon die Augen mal nichts sehen, ist es umso wichtiger, daß andere Sinne offen und empfänglich sind.

Es schafft eine tiefere Verbindung zu mir selbst und zur Natur. Denn wer kann schon richtig sehen? Unser Sehsinn ist korrumpiert durch massive Reizüberflutung und zudem durch die Neigung, alles was wir sehen, nur durch Denkschablonen wahrzunehmen: „das ist ein Baum“ – und schon haben wir vor dem geistigen Auge eine Schablone von einem Stamm, Ästen und vielleicht viel flächiges Grün, so wie ein Kind einen Baum malen würde, mehr ein Piktogramm als ein lebendiges individuelles Wesen. Die Schablone verhindert, daß wir den Baum sehen, wie er wirklich ist. Bei den normalerweise im Alltag weniger stark genutzten Sinnen ist das Risiko der schablonenhaften Wahrnehmung deutlich geringer.

Nach der Übung fühlte ich mich sehr weich. Da ich eh schon barfuß war, watete ich zum ersten Mal durch den kleinen Bach in der Nähe, der nach dem vielen Regen nun deutlich mehr Wasser führte. Kalt war es. Erfrischt kehrte ich zu meinem Auto zurück.

Montag, 9. Mai 2011

Federn

Von einer mehrstündigen Autofahrt zurückkommend fuhr ich heute direkt in den Wald. Anstatt sofort zu meinem Siztplatz zu gehen, gab ich meinem Bewegungsdrang nach und folgte einem kleinen Pfad entlang dem Bach, den ich neulich schon gesehen hatte. Das Gebiet wird offenbar von Kinder- und/oder Jugendgruppen genutzt, ich fand diverse Stellen, an denen sie Spuren hinterlassen hatten: eine Hütte aus Zweigen, eine Feuerstelle, ein Floß aus einem rieisigen halben Baumstamm, ein dickes Tau mit einem Holzgriff, um sich über den Bach zu schwingen. Dazu noch sehr viele Baumstämme, die offenbar als Brücke an verschiedenen Stellen dienen.

Auf diese Stämme traue ich mich derzeit noch nicht, aber ich habe zahlreiche kreuz und quer liegende „Kletterbäume“ zum Üben genutzt. Ich möchte gerne meinen Gleichgewichtssinn verbessern. Als Kind konnte ich problemlos freihändig über „Stock und Stein“ balancieren. Wenn ich wie heute unbeobachtet bin, kann ich ungehemmter balancieren, das macht mir so viel Spaß.

Dann fand ich einige sehr kleine Flaumfedern, die meine Neugier weckten. Ich suchte nach und nach mehrere Quadratmeter im Umfeld systematisch ab und fand schließlich eine ganze Tüte voller kleiner Flaumfedern. Es waren nur zwei kräftigere Federn von den Schwingen dabei. Wo ist der Rest geblieben? Die Federn waren offenbar vom Wind schon stark verteilt worden, und da es seit Wochen nicht geregnet hat, könnten sie schon länger dort gelegen haben. Die beiden Schwungfedern waren abgebissen, nicht gerupft. Daraus habe ich geschlossen, daß der Räuber wohl ein Säugetier war, ein Fuchs vielleicht. Vielleicht war es ein Jungvogel, der noch keine richtigen Schwungfedern ausgebildet hatte.

Nun machte mir mein kleiner Spaziergang so viel Freude, daß ich beschloß, dem Bachlauf weiterzufolgen und auf die Sitzplatzübung heute zu verzichten. Es ist gut, immer der inneren Eingebung zu folgen, nicht irgendeiner verstandesmäßigen Vorgabe. Das Gelände ist ein wunderbarer Spielplatz, für Kinder sowieso, aber warum nicht auch für Erwachsene? Wenige Spaziergänger sind dort zu erwarten (ich traf keine), weil die vielen quergelegten Baumstämme das Gehen behindern. Die Spaziergänger mit ihren Hunden sind auf der anderen Seite des Bachlaufs, bei der Pferdekoppel.

Ich ging weiter, bis der Wald an ein offenes Feld grenzte. Dahinter sah ich einen Wanderweg, den ich mir vorher auf der Karte angesehen hatte. Da ich keine Lust hatte, auf den offiziellen Weg zu gehen, folgte ich einem weiteren Trampelpfad durch den Wald entlang des Feldrands. Es war total schön da. Ich hörte viele Vögel, sah sie wie meistens zunächst nicht. Aber dann konnte ich einen Vogel hoch oben in einer Eiche beobachten. Er knabberte da irgendwas, evt. zupfte er an den jungen Blättern? Welche Vogel macht sowas? Ich konnte ihn nicht bestimmen, er war etwas kleiner als eine Amsel, mit recht langem dünnen Schwanz und bräunlich. Ich werde nachher meine Bestimmungsbücher wälzen, aber vermutlich habe ich zuwenige Details erspähen können.

Das beste kam noch. Ich stieß auf einen Reitweg, von dem ich nach Himmelsrichtung vermutete, daß er mich zu meinem Auto zurückführen würde. Da war es heute abend schön still. An einer Wegkreuzung sah ich dann etwas, was ich so noch nie im Wald gefunden habe: einen riesigen Haufen weißer Federn, rund um einen Baumstumpf verteilt. Ich schaute mir das Schlachtfeld an. Nur Federn, keine Reste von dem Vogel, der getötet wurde. Alle Federn fein säuberlich gerupft. Also war ein Greifvogel der Jäger.

Ich hatte es auch genau so geschildert bekommen: einige Greifvögel rupfen die Beute gerne auf einem Baumstumpf. Offenbar war kein Mensch vor mir an diesem Rupfplatz. Ich fing sofort an, die Federn einzusammeln. Ich möchte gerne später die Schwingen zusammenpuzzeln, um etwas darüber zu lernen. Also suchte ich alle größeren Federn und auch noch einige Handvoll Flaumfedern. Ich hielt das Opfer zunächst für eine Taube, da sah ich, daß etliche kleine Federn einen sehr schönen grünen Schimmer hatten, einige auch einen dunkelroten. Ansonsten nur weiße oder schwarz-weiß gescheckte Federn. Eine Ringeltaube? Aber die hat doch ein graues Deckgefieder, das kann es wohl nicht sein. Ich werde auch hierfür ein Bestimmungsbuch bemühen müssen.

Als ich diesen Berg Federn einsammelte und mir bewußt wurde, daß es kein Zufall ist, sondern daß ich von meiner Intuition hierhin geführt wurde, erfüllte mich ein sehr starkes Glücksgefühl. DAS ist meine Welt, HIER lebe ich auf. Ich möche so gerne alles lernen über Zusammenhänge in der Natur. Und ich möchte vor allem die Natur erleben, mit allen Sinnen. Dieser Wald, obwohl nur auf kleiner Fläche, ist wunder-, wunderschön. Ich gehöre hierhin, in diesen Wald, und ich möchte ihn noch viel besser kennenlernen.

Der innere Druck – „was nur soll ich mit/nach dieser Weiterbildung anfangen“ – ist zurückgegangen. Ich mache das zunächst mal für mich selber. Wenn ich sooo glücklich sein kann im Wald, dann möchte ich ihn so oft wie möglich aufsuchen. Es ist ganz klar, daß es für mich der richtige Weg ist. Wo auch immer er mich hinführt.

Das war ein magisches Erlebnis heute. Dieser riesige Haufen weißer Federn: unschuldig und rein, obwohl sie doch Zeichen einer Tötung waren. Aber wenn der Tod wie hier im Einklang mit der Schöpfung erfolgt, weil einfach ein Vogel einen anderen tötet, um ihn als Nahrung zu nehmen, dann empfinde ich den Tod als heilig. Mich macht der Tod sehr still und weit.

Dienstag, 3. Mai 2011

Arbeit deckt Ego-Muster auf

Am Arbeitsplatz gerate ich seit einiger Zeit öfters an persönliche Grenzen: z.B. Offenbaren persönlicher beruflicher Schwächen, Zugeben von Unkenntnis/Unwissen, Bekenntnis zu eigenen Positionen auch gegen Widerstände, mir stark zusetzende Konflikte mit Kollegen. Ich finde das gut! Ich bin jetzt stark genug, das nicht nur auszuhalten, sondern auch zu einer Erweiterung meiner Grenzen zu nutzen.

Uralte Konfliktthemen kochen dabei hoch. Mir wird dabei immer deutlicher, daß z.B. "hilflose Wut" ein uraltes Muster von mir ist, das ich bei allen möglichen Gelegenheiten an Menschen hefte, mit denen ich zu tun habe. Es ist aber MEIN Muster, die anderen geben zwar irgendeinen äußeren Anlaß, sind aber letztlich nur Sündenböcke für mich.

Ich WILL dieses Muster (und andere) jetzt ENDLICH auflösen! Und ich bete darum, daß ich stark genug sein möge, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Ich bin jetzt dazu bereit. Ich möchte mich sehr gerne erinnern, woher dieses Muster stammt. Vermutlich liegt irgendein noch völlig unverarbeitetes (und bisher nicht erinnertes) traumatisches Kindheitserlebnis dem zugrunde.

Ich möchte frei sein!

Montag, 2. Mai 2011

Begegnung im Wald

Ich war mal wieder eine Stunde auf meinem neuen Sitzplatz im Wald. Es war schon spät, zur Zeit des Sonnenuntergangs, nur die Baumwipfel waren noch beschienen. Ziemlich kalt. Keine Mücken diesmal. Einige Vögel waren zu hören, aber keiner hat sich mir gezeigt.

Als ich mich setzte, war da zunächst Traurigkeit. Ich konzentrierte mich auf meine Gefühle und versuchte, tiefer zu schauen. Welches Gefühl ist da, und welches Gefühl liegt noch tiefer? Die Kette bei mir war heute: Traurigkeit, Nicht-Wahrgenommen-Werden, Selbstverachtung, Scham, Schuld. Weiter gelang ich nicht. Es lösten sich viele Tränen.

Mir wurde klar, daß ich mich selbst steif und hart gemacht habe, um nicht spüren zu müssen, was anscheinend mal unerträglich war. Und diesen Panzer trage ich noch heute. Er verursacht Schuld mir selbst gegenüber. Ich habe mich damit eingesperrt.

Ich blickte auf und sah eine junge Traubenkirsche vor mir, die sich gerade sanft im Wind verneigte. Das rührte mich. Darum gehts bei mir. Wenn der Wind weht, kann ich mich einfach sanft oder auch mal unsanft vom Wind bewegen lassen. Es gibt keine Notwendigkeit, Widerstand zu leisten.

Ich sprach dann noch ein stilles Gebet, erst ein Bittgebet, anschließend ein Dank.

Danach war ich wieder einigermaßen im Frieden und konnte mich auf die Natur um mich herum einlassen.

Mir fiel auf, daß die Kiefern nicht mehr knistern. Wochenlang haben sie immer geknistert, ich bin nicht dahintergekommen, woran es liegt. Ob es was mit dem Frühlingserwachen zu tun hat, vielleicht Zapfen, die sich öffnen? Heute waren sie still. Kein Knistern mehr.

In nicht allzu großer Ferne ab und zu Kinderlachen, ein Pferd, das geritten wird, ein anderes auf der Wiese hinter dem Bach, das wieherte. Auch mal Hundebellen in der Ferne. Ich sitze nicht weit ab von einigen Wanderwegen und einer Straße, aber weit genug ab, um nicht gesehen zu werden, solange nicht andere Menschen so wie ich durch den Wald schleichen.

Wilde Tiere wollten sich mir heute nicht zeigen. So lauschte ich nur still und versuchte, die Gedanken zu lassen. Wenn die Gedanken mal für ein paar Augenblicke schweigen, ist sofort mehr Wahrnehmung da.

Als eine Stunde vorbei war und die Kälte doch etwas unter meine Kleidung gekrochen war, stand ich vorsichtig auf und folgte dem Gesang eines Vogels, den ich schon eine Weile gehört hatte. Endlich eine Gelegenheit, mal den Fuchsgang zu üben. Leise Schleichen war mir bei den vielen trockenen Ästen und Laub auf dem Waldboden leider kaum möglich. Trotzdem ließ mich der Vogel immer näher kommen.

Endlich klang der Gesang so laut, als sei der Vogel direkt vor mir. Ich konnte ihn nicht finden, nichts zu sehen in der Dämmerung. Eine ganze Weile suchten meine Augen vorsichtig die Bäume vor mir ab. Endlich sah ich ihn. Er saß auf einem Ast einer Kiefer ganz knapp vor und nur wenige Meter über mir, getarnt gegen den Stamm, was ich nicht erwartet hatte. Ein Rotkehlchen! Wunderschön sang es.

Es flog auf und landete direkt über mir. Ergriffen blieb ich stehen und lauschte noch eine ganze Weile. Dann schlich ich vorsichtig davon, um das Rotkehlchen nicht weiter zu stören. Schönes Erlebnis. Wenn dort sein Revier ist, kann ich es vielleicht noch öfter beobachten.

Auf dem Rückweg zum Auto, unterdessen war es schon recht dunkel, folgte ich mit schnellen Schritten einem Weg, als mir plötzlich auf dem Weg ein Tier entgegenlief. „Ein Wolf!“, fuhr mir in der ersten Schrecksekunde durch den Kopf. ANGST! „Nein, ein Hund, ein großer Hund“, war der zweite Gedanke, was meine Angst nur unwesentlich verringerte. „Ok, ich gehe weiter und lasse mir meine Angst nicht anmerken“. In dem Moment sprang das Tier zur Seite ins Gebüsch und verschwand. Von der Seite sah es aus wie ein Reh. Es muß dann aber wohl ein junges Reh gewesen sein, denn es schien mir kleiner als hüfthoch zu sein.

Schade, daß ich mir durch meine Angst eine mögliche Begegnung verunmöglicht habe. Beim nächsten Mal könnte ich ja mehr am Wegrand gehen, vorsichtig, und bei Beobachtungen sofort stehenbleiben. Dazu war heute meine Angst zu groß.