Dienstag, 30. August 2011

Büroarbeit

Der krasse Wechsel vom Wald zurück ins Büro löst diesmal keine Depression aus – aber Lethargie, Erschöpfung und Langeweile. Das ging schnell: heute morgen noch voller Kraft, heute abend schon ausgelaugt. Deutlicher kann es mir nicht werden, WO meine Kraft zu finden ist. Ich muß raus aus diesem sterilen Bunker. Insbesondere unter der stehenden abgestandenen Luft im Büro habe ich heute richtig gelitten. Welch Kontrast zur frischen Waldluft. :-(

Verbindung zu den Ahnen

Endlich habe ich einen kleinen authentischen Kontakt zur indianischen Kultur erhalten. Stalking Wolf war ein Apache-Scout und Schamane. Er lehrte Tom Brown jr. Dieser lehrte Jon Young. Dieser gab sein Wissen und seine Erfahrungen weiter an viele Wildnisschulen in Europa, so auch an diejenige, an der ich jetzt lernen darf. Nachdem ich zuletzt auch einige Bücher von Tom Brown, insbesondere über seine Lehrzeit bei Stalking Wolf gelesen habe, fühle ich mich mit dieser Tradition verbunden. Das ist jetzt meine Verbindung zu den Ahnen.

Ich habe immer geglaubt, ich müsse unbedingt in der eigenen Familiengeschichte nach der Ahnenverbindung suchen. Diese spielt gewiß auch eine Rolle, aber ist nicht alleine entscheidend. Der spirituelle Lehrer muß doch nicht ein eigener Verwandter sein. Der Schamane aus dem Dorf oder auch dem Nachbardorf war es in früherer Zeit gewiß auch oft.

Ich habe vor zwei Jahren in Schweden nach meinen Wurzeln gesucht. Da es mich so zu altem Wissen zog, dachte ich eine Zeitlang, ich müsse vielleicht in der samischen Kultur suchen. Ich habe das dann aber doch nicht weiter verfolgt – vielleicht, weil es mir so schwerfiel, einen Anfang zu finden. Immerhin habe ich in diesem Jahr zwei Familien-Erbstücke erhalten: zwei Holz-Skulpturen aus samischer Handwerkskunst.

Im nächsten Sommer möchte ich zurückkehren in die schwedische Wildnis. Zurück zu den Rentieren. Ich habe ihnen beim letzten Besuch versprochen, daß ich zurückkehren werde. Das will ich endlich einlösen. Und diesmal werde ich nicht alleine gehen. Es wird Zeit, meine Inspiration weiterzugeben. Zunächst an meine Lebensgefährtin.

Nasse Übernachtung

Die erste Nacht war trocken, der nächste Tag heiß. Erst am Nachmittag kam das erste große Unwetter. Dann eine Nacht lang Regen. Und meine erste Nacht im feuchten Schlafsack. Innen blieb er trocken, ich blieb warm, aber außen und auf das Gesicht gab es Sprühregen, weil die Baumarktplane nicht alles abhielt. Zudem tropfte es innen aus einem Abspannknoten mittels eines Kiefernzapfens – anscheinend war die Plane dort etwas undicht geworden.

Es war toll, nun auch einmal bei richtig „schlechtem“ Wetter - starkem Dauerregen - eine Nacht unter einer einfachen Plane zu verbringen. Eine Erfahrung mehr, für die ich dankbar bin. So richtig naß wurde ich ja nicht. Und auch das hätte ich überlebt.

Nächtliches Bad

Ich hatte ein wunderbares Wildnis-Seminarwochenende. Mir gibt allein schon das Draußensein so sehr viel Kraft. Die Akkus sind wieder voll aufgeladen. Zusätzlich zu dem Seminarprogramm habe ich für weitere Krafterlebnisse gesorgt: einmal bin ich nachts einen dunklen Waldweg zu einem Bach gelaufen und habe dort gebadet. Wunderbar. Das kalte Wasser auf meiner Haut. Ich lebe. Ich hatte weder Badesachen noch Handtuch dabei. Nackt im (flachen) Wasser zu liegen ist ganz anders: der Kontakt zum Wasser ist viel direkter und umfassender. Ganz vom Wasser umschlossen zu sein, war für mich erfrischend, belebend und reinigend zugleich. Es ist ein Ritual.

Ich ließ mich danach in der noch recht milden Luft lufttrocknen. Dann noch etwas feucht in die Klamotten, die auf dem Rückweg ins Camp schnell trockneten.

Ich mag Erfahrungen, die ein wenig „neben der Spur“ liegen. An einem warmen sonnigen Nachmittag in ein überfülltes Schwimmbad zu gehen, ist irgendwie viel zu einfach. Mir macht es viel mehr Spaß, wenn ein bißchen Überwindung erforderlich ist, wenn Schwierigkeiten auf dem Weg liegen.

Ich habe genug Möglichkeiten, bequem und faul zu sein. Deshalb bin ich überaus dankbar, wenn ich die Möglichkeit habe, mal an meine Grenzen zu gehen, diese auszutesten und schrittweise zu überwinden.

In diesem Frühjahr hatte ich noch bei jedem Schritt abseits von vorgegebenen Waldwegen das ungute Gefühl, etwas „Verbotenes“ zu tun. Außerdem bin ich bei sehr vielen Geräuschen zusammengezuckt, ebenso bei jeder unerwarteten Berührung durch einen Zweig oder ein Insekt.

Und jetzt gehe ich barfuß und ohne Taschenlampe nachts durch den Wald, und es ist ok. Ich hatte allerdings allerdings gleich 3 Taschenlampen dabei, ich sichere mich immer noch sehr stark ab. Und die sporadischen blinkenden Leuchtpunkte neben dem Weg machten mir Angst. Ich habe dann doch einige Male dort hingeleuchtet – und konnte nicht herausfinden, was den Lichtpunkt verursacht hat. Bei den fliegenden Lichtpunkten handelte es sich wohl im Glühwürmchen. Am Boden konnte ich aber keine verursachenden Tiere entdecken.

Erst am zweiten Abend fand ich heraus, was es vermutlich ist: Sterne, die in Wassertropfen auf der Vegetation reflektieren. Das ist zumindest meine Erklärung, denn meine Lampe leuchtete genau auf einen großen Wassertropfen auf einem Blatt. . Ein Stern, der so weit weg ist, bringt einen kleinen Wassertropfen zum Funkeln. Das ist eigentlich kein Grund, um Angst zu haben. Es ist eher zauberhaft schön. ;-)

Angst entsteht oft durch Unwissen. Wir haben Angst vor der Ungewißheit. Wir suchen Sicherheit. Auf mich trifft das jedenfalls besonders zu.

Der Wald ist überhaupt nicht dunkel nachts. Jedenfalls nicht vollständig. Wege durch den Wald sind erkennbar an dem helleren Boden, zumindest wenn dieser einen starken Sandanteil hat. Selbst ohne Mond leuchten die Sterne genug, um zumindest schattenhaft Bäume erkennen zu können. Nur bei wolkenverhangenem Himmel wird es schwieriger.

Bei meinen Versuchen, die Leuchtpunkte zu identifizieren, fiel mein Lichtstrahl auf zwei leuchtende Augen. Eine ähnliche Begegnung vor einigen Monaten hat mich noch stark erschreckt, jetzt war da Neugierde. Gerne hätte ich das Tier identifiziert. Aber es entfernte sich rasch von mir, nur kurz sah ich noch seine Augen, dann war es fort. Von der Höhe der Augen über dem Boden könnte ich auf ein marderartiges Tier schließen. Schade, jetzt, wo ich dies schreibe, fällt mir ein, daß ich nach den Tierspuren auf dem sandigen Boden hätte suchen können. Trotz meiner mangelnden Erfahrung hätte ich da vielleicht etwas erkennen können. Auf die Idee kam ich nicht, dafür war ich dann doch nicht entspannt genug.

Berufung

Ich weiß jetzt ohne jeden Zweifel, wofür mein Herz schlägt und wo ich hingehöre: in die freie Natur, insbesondere den Wald. Meine Suche hat mich in den letzten Jahren auf verschiedenen Pfaden kleine Wegstücke entlanggeführt. Die Suche ist zu Ende. Ich weiß, wo es langgeht. Es zieht mich nicht so sehr zu fernöstlichen Wegen wie beispielsweise dem Buddhismus, diese Wege habe ich nur mal kurz getestet. Ich fühle mich dagegen sehr zur indianischen Kultur hingezogen – eigentlich immer schon, aber jetzt weiß ich gewiß, daß es ein reales Fundament hat.

Ich weiß noch nicht, wo genau es mich hinführen wird, aber es ist ganz klar, wo ich gerade stehe und wie die nächsten Schritte sind.

Meine Berufung ist, den eigenen Naturkontakt wieder herzustellen bzw. weiter zu fördern und diese Erfahrungen und das daraus entstehende Wissen dann an andere Menschen weiterzugeben. Bei letzterem bin ich noch nicht 100% sicher, aber fast.

Samstag, 6. August 2011

Laubhütte

Endlich war es soweit. Schon seit Monaten fieberte ich mit zuerst viel Angst und zuletzt viel Lust dem Bau und dem Schlafen in einer Laubhütte entgegen. Mit einer Freundin zusammen dauerte es über 4 Stunden, eine Hütte aus einem Firststamm, angelegten Zweigen und einer Abdeckung aus Fichtenzweigen und viel Laub zu bauen. Der Eingang war gut einen Meter breit und so hoch, daß ich bequem aufrecht sitzen konnte – eigentlich ähnlich wie in meinem kleinen Zelt – nur rein aus Naturmaterialien. Wir banden die Äste teilweise mit Binsen und Rindenresten fest, um der Konstruktion noch mehr Halt zu geben.

Es hatte in der Nacht zuvor noch geregnet, deshalb gab es kaum richtig trockenes Material, es war überwiegend etwas klamm. Den Boden der Hütte deckte ich deshalb noch mit Fichtenzweigen (von einem jüngst gefällten Baum) und darauf ebenfalls einer knapp 10 cm dicken Laubschicht ab (hätte gerne noch mehr sein dürfen, aber dann war ich zu müde).

Während am Anfang, als ich diese Aufgabe im Rahmen meiner Weiterbildung gestellt bekam, noch Widerwillen und Angst überwogen, blieb zuletzt nur reine Freude. Ich war glücklich, als ich nachts in diese Hütte kroch. Mit einigen heißen Steinen aus dem Feuer hatte ich noch versucht, die Feuchtigkeit aus der Unterlage verdampfen zu lassen, aber das reichte nicht aus.

Ich wollte unbedingt – wenn schon, denn schon – ohne Isomatte und Schlafsack auskommen. Das Laub reichte aber nicht aus, um mich darin einzugraben und ohne Decke war es trotz der milden Sommernacht etwas kühl. Ich schlief dadurch unruhig, fröstelte vor mich hin und lauschte den ungewohnten Nachtgeräuschen. Es waren mit hoher Wahrscheinlichkeit viele kleinere und größere Tiere in dem kleinen Wäldchen unterwegs, denn wir hatten viele Spuren gesehen und schon während des Abends immer wieder Geräusche gehört.

Einen kurzen Moment der Angst gab es, als ein Geräusch recht nahe war, aber dann beruhigte ich mich schnell wieder.

Es tat unglaublich gut, den Erdboden unter mir zu spüren. Ich bin ein Kind der Erde, wovor sollte ich Angst haben? Wenn ich auf dem Rücken lag, war es stockschwarz um mich herum. Drehte ich mich zur Seite, sah ich etwas Licht durch den Eingang. Einige Mal spürte ich ein Krabbeln auf der Haut. Was mir vorher noch etwas Sorgen gemacht hatte (werden Ameisen, Zecken oder Spinnen mich anknabbern), führte nun nur noch zu einer leichten Wischbewegung, um die unsichtbaren Tiere abzustreifen.

Erwartet hatte ich, daß ein klaustrophobisches Gefühl von „Begrabensein“ auftreten würde. Das war aber nicht der Fall, ich fühlte mich sauwohl in dieser Höhle. Um 3:30 Uhr gab ich es auf, die Kälte weiter auszuhalten und legte mir einen leichten Deckenschlafsack locker über. Danach schlief ich bis in die Morgenstunden durch, bis nach 8:00 Uhr, was relativ lang ist, wenn ich draußen schlafe. Schade, daß ich keine Tiere gesehen habe. Das nächtliche Konzert der Vögel war so auch schon beendet.

Kurz nach dem Aufwachen traf ein Sonnenstrahl mein Gesicht durch das dichte Blätterdach der umstehenden Bäume. Da wußte ich, daß ich alles richtig gemacht habe. Ich fühlte mich super nach dieser Nacht.

Am Vormittag hatte ich dann noch Gelegenheit, ein wenig durch das kleine Wäldchen zu streifen. Ich fühlte mich wunderbar, sehr verbunden mit der Natur. Beim Umarmen einer sehr alten Eiche flossen dann die Tränen von tief innen. Es war ein Gefühl von Ankommen und Loslassen. Eine weitere Barriere zwischen mir und der Natur war gefallen. Tränen der Freude und Tränen des Schmerzes über die vielen „verlorenen“ Jahre, in denen ich zu weit weg war von mir und von der Natur (was eh ein und dasselbe ist).

Es fällt mir immer schwer, in Worte zu fassen, was ich in solchen Momenten spüre. Auf jeden Fall sind solche Erfahrungen für mich unglaublich heilend.

Ich folgte einem Tierpfad durch ein mooriges Brombeergestrüpp, balancierte ein wenig auf einem toten Baumstamm und trat dann aus dem Wald heraus an den kleinen Bach, der dort floß – auf der anderen Seite ein Maisfeld.

Genau an meiner Stelle war das sumpfige Ufer leicht zugänglich, und es lag nahe, dort mal die Füße reinzustecken. Ach was, wenn schon, dann ganz, beschloß ich schnell. Ich zog mich nackt aus und legte mich in das nur 40cm tiefe Wasser. Das war mein allererstes Bad im Freien in diesem Jahr, und es tat unglaublich gut. Dieses Freiheits- und Glücksgefühl ist unbeschreiblich. Mir kam es vor wie eine Taufe. Nach der Erdtaufe letzte Nacht jetzt die Wassertaufe (und die Feuertaufe gab es vorher auch schon).

Ich fühlte mich wie im Paradies. Die Sonne schien warm. Vom leichten Wind ließ ich mich antrocknen (die Windtaufe auch noch), dann zog ich mich wieder an. Die letzte Herausforderung für diesen Morgen war dann ein Weg barfuß über die gemähte Weide mit vielen schon wieder sprießenden Brennesseln. Ich wußte es, daß sie mich heute nicht verbrennen würden (ich setzte meine Füße mit Bedacht neben die kleinen Pflanzen).

Mein Gott, war das schön! Voller Dankbarkeit und Freude verließ ich diesen schönen Ort!