Samstag, 30. Oktober 2010

guter Tag

Mir geht es gerade mal so richtig gut. Ich habe heute wieder zweimal 50 Verbeugungen gemacht, mit viel Überwindung, denn es ist wirklich sehr anstrengend. Aber es tut mir gut. Und danach fühle ich mich - bisher jedenfalls - ganz leicht und beschwingt. Es macht mich still und zufrieden, ja geradezu glücklich. Erstaunlich.

Ich las erneute Gerüchte über eine möglicherweise kurz bevorstehende Währungsreform. Was mich im Mai noch in Panik versetzte, erregt mich jetzt kaum noch. Ich bin unterdessen nach meinen Möglichkeiten ganz gut vorbereitet. Details verbessere ich natürlich weiter, z.B. will ich mir noch eine Petroleum-Heizung kaufen.

Die Anmeldebestätigung für meine im März beginnende Fortbildung ist gekommen. Darauf freue ich mich schon sehr. Den Winter kann ich gut nutzen, um mich mit dem Loslassen von altem Kram darauf vorzubereiten.

Mein Leben fühlt sich gerade völlig in Ordnung an, alles unter Kontrolle. Ich weiß zwar, daß das eine Illusion ist, fühlt sich aber trotzdem gut an. ;-) Ich genieße es, denn die nächste Streß-Situation kommt früh genug.

Ich bin dankbar für die Lektion, die ich in den letzten Wochen gelernt habe, und bin gespannt auf die nächste.

Das Leben ist ein wunderbares Geschenk! :-)

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Karma

Was ich in den letzten Wochen erlebt habe, ist ein Lehrbeispiel für das Prinzip von Ursache und Wirkung. Ich möchte demnächst noch mehr darüber lesen, wie das aus buddhistischer Sicht wirkt, ich kenne bisher vor allem die psychologische westliche Sicht.

Irgendwelche unverarbeiteten früheren Erlebnisse von mir haben bewirkt, daß ich eine extrem negative Erwartungshaltung vor dem Umzug meines Arbeitgebers aufgebaut habe. Ich habe außerdem meine Kritik daran unangemessen heftig artikuliert. Ich habe damit Kollegen negativ beeinflußt und bin insbesondere meinem Vorgesetzten furchtbar auf den Geist gegangen. Ich bereue jetzt manche dieser Situationen, was und wie ich es gesagt habe.

Aus Ärger, Wut und Haß folgen entsprechende Erfahrungen, in meinem Fall das extrem schlechte Befinden am neuen Arbeitsplatz und dann der Unfall auf der Treppe.

Ich bin dankbar für die Nachdenkpause, die ich dadurch gewonnen habe. Ich glaube, ich habe sie gut genutzt.

Heute habe ich starken Muskelkater, vor allem im Bereich von Schultern und Brust. Das zeigt mir, daß ich mich mit den 100 Verbeugungen gestern jedenfalls nicht unterfordert habe. Heute morgen habe ich nochmal 50 gemacht. Ich mag diese Übung. Sie erinnert mich ein wenig an den Sonnengruß im Yoga, nur daß letzterer mehr Gelenkigkeit erfordert, als ich aufbringen kann. Die Verbeugung ist einfacher auszuführen, schneller, direkter. Da die Bewegung nach und nach automatischer ausgeführt werden kann, kann ich leichter die Konzentration auf innere Einkehr lenken. Es ist Meditation in Bewegung.

Ich muß mich über die spirituellen Hintergründe dieser Übung auch noch mehr informieren. Ich glaube, wenn man sie regelmäßig ausführt, entfernt sie falschen Stolz und macht bescheiden. Sich lang auf dem Boden auszustrecken, ist eine Demutshaltung, nichts worauf das Ego sich was einbilden kann, auch wenn es eine kraftvolle Übung ist.

Und rein körperlich sind sehr viele Muskeln beteiligt: Arme, Beine, der ganze Rumpf. Ich glaube , es würde mir guttun, das regelmäßig zu machen. Mal sehen, ob ich mich überwinden kann.

Heute bin ich in einer sanften, stillen Stimmung. Ich spüre aber, daß der Ärger noch lauert, der ist immer noch nicht ganz verdaut.

Nachtrag: die Übung, die ich mache, wird in diesen Videos gut erklärt, daran habe ich mich orientiert (Tsem Tulku Rinpoche teaches Prostration):

http://www.youtube.com/watch?v=fbMFtzTGgkE
http://www.youtube.com/watch?v=1Qon9lYJ_7M&feature=related

(hoffentlich finde ich irgendwann mal heraus, wie man hier einen Link richtig setzt)

Umzugs-Trauma

Vor einigen Tagen ist mir etwas klarer geworden, was zuletzt am Arbeitsplatz bei mir ablief. Daß ich dem Büro-Umzug mit Schrecken entgegensah, hat mit einigen schrecklichen Umzugserfahrungen meiner Kindheit zu tun. Als Kind wurde ich mehrfach aus meiner gewohnten Umgebung herausgerissen und in eine völlig fremde versetzt. Mir fehlt so bis heute ein richtiges Heimatgefühl. Als Kind war ich völlig abhängig und wehrlos, mußte alle Veränderungen hinnehmen.

Die damit verbundenen – teils traumatischen - Gefühle und Gedanken habe ich anläßlich des Büro-Umzugs wiederholt, nachgespielt. Es gibt auch objektiv eine Verschlechterung meiner Arbeitsplatzsituation, aber meine extreme Reaktion darauf ist von mir verursacht.

Als Kind habe ich auch die Erfahrung gemacht, als Fremde ausgegrenzt zu werden, nicht richtig dazuzugehören. Das wiederhole ich gerade mit meinen Kollegen.

Was ich aus der aktuellen Situation lernen kann: zunächst kann ich die Gefühle von früher nochmal nacherleben, um sie so nach und nach zu verarbeiten, da habe ich jetzt schon einige Trauerarbeit geleistet. Zum anderen kann ich andere Erfahrungen machen. Ich bin heute zwar als Angestellte von meinem Arbeitgeber in gewisser Weise abhängig, aber nicht völlig ohne Freiheitsgrade. Ich gehe ja den Schritt zu einer möglichen beruflichen Veränderung, könnte mich auch auf andere Stellen bewerben (will ich derzeit aber nicht), und vor allem kann ich versuchen, mich in die ungewohnte Situation einzufügen, mit den Kollegen enger als bisher zusammenarbeiten und erleben, daß ich mich vor allem selber ausgegrenzt habe und nach und nach mehr Nähe zulassen kann.

Es kam nochmal sehr viel Wut und Ärger und der Wunsch nach Rache hoch, das ist auch noch nicht völlig bereinigt. Unter anderem deswegen habe ich heute die Niederwerfungsübung gemacht. An Demut hat es mir zuletzt gefehlt.

Ich muß abwarten, ob mir noch mehr Kindheitserinnerungen hochkommen, die verarbeitet werden wollen.

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Verbeugung

Ich folge bei meinem spirituellen Weg meist meiner Eingebung bzw. den Einflüssen von außen, auf die ich gerade stoße. Ich gehe dahin, wo mich etwas stark berührt, in welcher Hinsicht auch immer. Das ist gewiß sehr unorthodox. Die meisten spirituellen Lehrer sagen wohl, daß man sich auf eine Richtung festlegen und dieser dann konsequent folgen sollte.

Ich mache das anders. Die Gefahr dabei ist sicherlich, der Bequemlichkeit des eigenen Egos zu folgen, sich nur weiter zu verstricken oder ein großes spirituelles Ego aufzubauen. Ich habe aber den Eindruck, daß es mich schon zu den richtigen Erfahrungen und Einsichten führt.

Heute hatte ich das dringende Bedürfnis, eine Körper-Übung zu finden, die ich in den Alltag integrieren kann und die zu mir paßt. Da ich immer noch krankgeschrieben bin, habe ich den halben Tag im Internet nach Anschauungsmaterial und Anleitung gesucht. Und dann habe ich die tibetisch-buddhistische Übung der Verbeugung / des Niederwerfens durchgeführt.

Ich bin für heute nur auf 50+50 Verbeugungen gekommen (traditionell wird diese Übung 111.111 mal ausgeführt – über Monate oder Jahre). Die Prellungen von meinem Treppensturz haben mich dabei glücklicherweise nicht behindert. Es ist anstrengend, beansprucht viele vernachlässigte Muskeln, fördert ganz gewiß Demut und Achtsamkeit – und es machte mir Spaß. :-) Es führte bei mir heute zu dieser inneren Freude, einem Glücksgefühl, Leichtigkeit und friedvoller Stille.

Dafür bin ich sehr dankbar, denn zuletzt hatte ich davon wenig.

Diese Übung kann ich bei meiner mangelnden körperlichen Fitneß bewältigen (nur die Handgelenke werden anscheinend etwas überbeansprucht), es fördert nach meiner Wahrnehmung Gelenkigkeit (nur ein wenig, aber immerhin), Kraft und Ausdauer. Und nach 15 Minuten schwitze ich schon stark. Zweimal 15 Minuten täglich wären allein schon aus körperlicher Sicht eine sinnvolle Maßnahme. Und dann tue ich auch noch was für mein Seelenheil. Mal sehen, ob ich daraus eine Gewohnheit machen kann. In der Vergangenheit habe ich solche Vorhaben maximal ein paar Wochen oder Monate durchgehalten, dann ist es eingeschlafen.

Ich glaube nicht, daß ich einen buddhistischen Weg gehen werde. Ich suche eher nach den Gemeinsamkeiten in allen spirituellen Richtungen, die mir so begegnen. Vielleicht habe ich auch meine spirituelle Heimat noch nicht gefunden.

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Medien-Parallelgesellschaft

Um ein paar Bilder zum Tod von Loki Schmidt zu sehen (eine der wenigen öffentlichen Personen, vor denen ich Respekt habe), habe ich ausnahmsweise die Tagesschau eingeschaltet.

Minister Brüderle verkündete dort den fabelhaften Aufschwung, mit 3,4% Wachstum in diesem Jahr, 1,8% im nächsten Jahr und um die 2% als Prognose für die nächsten 5 Jahre. Der DGB-Chef fordert Lohnerhöhungen (gähn, das steht bestimmt so in seinem Drehbuch – was nutzen 2% Lohnerhöhung auf 2 Jahre verteilt – so sah es bei mir zuletzt in etwa aus – bei zeitgleich ca. 8% echter Inflation?) Dazu sollen wir nächstes Jahr nur noch 2,9 Millionen Arbeitslose haben, ein ganz famoses Zeichen (ich mache mir nicht die Mühe, das zu recherchieren, aber die echte Zahl arbeitsloser Menschen in Deutschland ist eine deutlich zweistellige Millionenzahl). Die Krise ist vorbei, hurra...

Ich hatte den Eindruck, die glauben das wirklich. Die armen Menschen, die ihre Informationen nur aus diesen Medien beziehen, haben keine Chance, irgendetwas von dem zu erfassen, was auf uns zurollt und nicht mehr aufzuhalten ist. Natürlich könnten die meisten Menschen in ihrem persönlichen Umfeld sehen, daß etwas oberfaul ist, aber wer macht schon gerne die Augen auf?

Nur ein Beispiel: heute ist es völlig normal, sogar recht gutgekleidete Menschen beim Durchwühlen von Mülltonnen zu sehen, auf der Suche nach Leergut oder alten Zeitungen oder vielleicht gar nach Eßbarem. Das war früher eindeutig anders, solche Bilder kannte man nur aus Dritte-Welt-Ländern.

Heute habe ich Quitten-Gelee eingekocht, gut für Leib und Seele. So etwas werden zukünftig auch wieder mehr Menschen tun, wenn das Geld für Supermarkt-Ware nicht mehr ausreicht - oder wenn es diese gar nicht mehr gibt.

Nachtrag: wenn es irgendwann keine Marmelade (ein Lowtech-Produkt) im Supermarkt mehr geben sollte, dann gäbe es bestimmt auch keinen Gelier-Zucker mehr und die eigenen Vorräte wären schnell aufgebraucht. Dann könnte ich immer noch Wildobst oder Obst aus dem Garten in Wasser ohne Zucker einkochen. Fiele dann auch noch der Strom aus, ginge es zur Not mit dem Hobo-Kocher. Da stünde dann aber schnell die ganze unvorbereitete Nachbarschaft da, und falls Anarchie ausbräche, würde ich wohl nicht lange überleben.

Das Fatale an dieser Krise ist: bis kurz vor dem Zusammenbruch wird vielleicht alles noch ganz normal aussehen. Alles funktioniert, und die Aussichten sind (vermeintlich) bestens.

Aber ewiges exponentielles Schuldenwachstum in einer endlichen Welt kann es nicht geben. Irgendwann bricht die betrügerische Kreditpyramide zusammen. Was passiert dann? Wird es als Befreiung aus der Schuldgeldknechtschaft erlebt? Ist doch auch sehr aufregend, in einer solchen Zeit leben zu dürfen. Vielleicht habe ich mir das ja so ausgesucht.

Ich bin ein Kind der Wohlstandsgesellschaft. Eine existenzielle Krise habe ich noch nicht erlebt. Da braucht es nur mal einen kleinen Defekt am Auto geben, schon gerate ich in große Unruhe. Ohne Auto zu leben? Unvorstellbar.

Ich habe heute abend einen Rückblick auf das Leben von Loki Schmidt gesehen. Die Menschen, die den 2. Weltkrieg erlebt haben, sterben langsam aus. Die haben wirklich etwas durchgemacht, verglichen damit jammern wir auf sehr hohem Niveau.

Mal sehen, was kommt. Vielleicht wird es schlimmer als damals (wenn der 3. Weltkrieg ausbricht, was mir derzeit unwahrscheinlicher geworden scheint), vielleicht werden auch einfach nur unser aller Sparguthaben und Rentenansprüche gestrichen und wir machen danach weiter wie zuvor, als wäre nichts gewesen, mit neuem Papierspielgeld.

erzwungene Nähe

Bei meinen Freizeitaktivitäten habe ich keine Probleme mit räumlicher Nähe zu anderen Menschen. Da gibt es oft emotionale Nähe, und beim Tanzen ja auch körperliche Nähe. Das ist total schön, den Energiefluß zwischen zwei Menschen zu spüren, den Austausch zu erleben.

Der Unterschied zum Büro ist: meine Freizeitaktivitäten mache ich gerne, dabei fühle ich mich wohl und kann ganz unverstellt ich selbst sein. Im Büro spiele ich eine Rolle. Diese Rolle verhindert echte zwischenmenschliche Nähe. Ich habe mich seit 1-2 Jahren auch am Arbeitsplatz stark geöffnet, das scheint aber jetzt an eine Grenze zu gelangen – denn die Situation dort ist total künstlich und von mir so nicht gewollt. Und die Kollegen spielen ja auch meist eine Rolle, denn für sie ist es vermutlich auch künstlich. Kaum jemand macht das gern, nehme ich an, alle müssen nur irgendwie ihr Geld verdienen (das bißchen, das die Geldkrake uns übrig läßt).

Mein Bedürfnis dort war zuletzt, mich wieder stärker zurückzuziehen, um meine Rest-Energie zu sammeln. Ich will nicht neue Ego-Mauern errichten, aber das ist es auch nicht. Mein Schutz-Bedürfnis ist berechtigt. Mir geht dort sehr viel Energie verloren, die wird regelrecht abgezapft (da muß ich wieder an den Film Matrix denken – am Arbeitsplatz bin ich in der Matrix, da docke ich an die Energiefarm an, wo meine Energie für die Geldkrake abgezapft wird). Wir sind dort alle Opfer des Systems, das trifft auch auf meine Vorgesetzten und auch auf die Firmenleitung zu. Vielleicht können die ja gar nicht anders, als uns so zusammenzupferchen.

Es gibt beeindruckende Berichte von Menschen, die selbst unter unmenschlichen Bedingungen in Gefangenschaft ihre Würde erhalten konnten. Verglichen mit ihnen geht es mir ja sehr gut, mein Gefängnis ist weich gepolstert.

Ich will raus aus der Opferrolle, denn die schadet mir selbst. Ich ändere jetzt das, was ich ändern kann, versuche Verbesserungen am Arbeitsplatz zu erzielen und parallel dazu einen Ausweg aus dem Gefängnis heraus zu finden. Ich will mir ohne schlechtes Gewissen die Auszeiten/Pausen nehmen, die ich brauche, achtsam mit mir umgehen, um mich selbst nicht ganz zu verlieren im Job.

Ich bin irgendwie auch neugierig, wie es weitergeht. Meine Kollegen werden auch nicht glücklich sein, auch wenn sie es nicht so deutlich zeigen. Noch bin ich nicht bereit, einen neuen Versuch zu wagen, aber jetzt steht ja auch erst noch einmal ein verlängertes Wochenende für mich an. Ich will versuchen, endlich von der Arbeit abzuschalten und zu entspannen.

neue Arbeitssituation

Wenn ich von der Arbeit freigestellt bin, kann ich normalerweise wunderbar abschalten, den Berufs-Alltag hinter mir lassen und mich ganz auf mich und meine Genesung konzentrieren. Diesmal ist es anders. Immer wieder die quälenden Gedanken an die für mich unerträgliche Arbeitssituation, dazu den ganzen Kopf noch voll mit tausend Dingen, die im Haushalt getan werden wollen, weil ich sonst nie Zeit dafür habe. Ich fühle mich sehr erschöpft, kann aber trotz der Nachwirkungen meines Treppensturzes einiges tun, solange ich nicht stundenlang stillsitzen oder stehen muß.

Ich komme kaum zur Besinnung. Dabei wäre die jetzt sehr wichtig, bevor ich wieder ins Büro zurückgehe. Neben den objektiv verschlechterten Arbeitsbedingungen muß es auch etwas in mir geben, was mich so stark reagieren läßt. Die Kollegen sind auch unzufrieden, kommen aber anscheinend irgendwie zurecht.

Etwas in mir löst die starke „Platzangst“ aus, das Bedürfnis nach räumlichem und innerem Rückzug, das Bedürfnis, mich abzuschotten, abzugrenzen, Mauern aus Papierstapeln und Aktenablagen zu bauen.

Ein Aspekt dabei ist meine starke Sensibilität für äußere Einflüsse. Mich machte das regelmäßige „klong“ eines Bewegungsmelders verrückt, er klingt ähnlich wie ein tropfender Wasserhahn und sorgt für Beleuchtung am Arbeitsplatz, sobald sich jemand bewegt, also normalerweise alle paar Sekunden (wer sich zu lange nicht bewegt, sitzt im Dunkeln, auch auf der Toilette beispielsweise). Ich wäre durchaus selber in der Lage, das Licht ein- und auszuschalten, aber nein, wir werden entmündigt, um Strom zu sparen. Auf Kosten dieses nervenden Überwachungsgeräts. Fehlte noch, daß dort eine Kamera drin wäre, es sieht so ähnlich aus...

Es wurde zugesagt, daß Abhilfe geschaffen werden soll. Hoffentlich, sonst klebe ich das Ding ab, damit es seine Klappe hält.

Ähnlich gelagert ist wohl, daß ich sehr stark die Geräusche der Kollegen wahrgenommen habe, jedes tiefere Atmen, die Tastaturen sowieso. Ich höre drei Menschen ganz nah und finde meinen eigenen Raum dabei nicht, das geht alles in mich rein und lenkt mich ab. Auch wenn ich sie nicht hören würde (habe überlegt, ob ich mit Ohrstöpseln im Büro sitzen sollte), würde ich sie fühlen/spüren. Es ist einfach deren Energie im Raum, von vier unterschiedlichen Menschen, die (noch) nicht harmonieren.

Mein Kollege gegenüber hat mir früher mal erklärt, daß jeder Mensch seine eigene Energie mitbringt, sein Prana. Wer „gutes Prana“ hat, gibt zwangsläufig an diejenigen ab, die „schlechtes Prana“ haben. Nach einiger Zeit gibt es einen Energieausgleich. Nach seiner Darstellung habe ich bisher von ihm profitiert. Vielleicht profitieren jetzt die neuen Kolleginnen von mir, und ich fühle mich dort deshalb so leergesaugt?

Mir war aufgefallen, daß ich in der Mittagspause und erst recht abends sehr weit von mir selbst weg war, ganz schlecht bei mir, ganz anders als zuletzt im alten Büro. Und ich war ungeheuer erschöpft, obwohl ich kaum etwas geschafft hatte.

Ich hatte auch Kopfschmerzen, möglicherweise auch wegen der Ausdünstungen der nagelneuen Materialien. Die neue Umgebung raubt meine Energie, so erkläre ich mir jetzt meinen Zustand. Vielleicht wird das im Laufe der Zeit besser.

Es ist gut, daß ich da erstmal für eine Weile raus bin. Falls diese Erklärung stimmt, finde ich es unfair, daß ich mehr Energie abgeben muß als bisher. Andererseits habe ich bisher stark von der ruhigen Ausstrahlung meines Kollegen und vielen Gesprächen profitiert, vielleicht ist es jetzt an der Zeit, daß ich etwas weitergeben muß. Vielleicht harmonisiert sich die Energie im Raum ja noch.

Solange es mich so schlaucht, möchte ich so gut es geht auf meine Grenzen achten, evt. Gespräche direkt an meinem Schreibtisch ablehnen, öfter Pausen machen, den Raum verlassen, um irgendwo Luft zu holen. Leider bin ich ja gezwungen, unnatürlicherweise immer (im Schnitt) die gleiche Stundenzahl abzureißen, egal wie ich mich fühle und auch egal, wie viel Arbeit anliegt. Ich werde mich notgedrungen erstmal stark zurückziehen, ich habe das schon instinktiv richtig gemacht. Ich brauche Schutzraum, so gut es unter den schlechten Bedingungen geht, solange bis ich mich dort wieder halbwegs wohlfühle.

Irgendwas soll ich auch aus dieser Situation lernen. Daß meine Kollegen nicht „meine Feinde“ sind, darauf wurde ich schon aufmerksam gemacht. Und das berührte etwas in mir, anscheinend habe ich früher schlechte Erfahrungen gemacht. Und heute kam mir eine Kindheitserinnerung hoch, die eine Rolle spielt. Obwohl ich die Ältere war, bekam ich immer das kleinere Kinderzimmer, mein Bruder das größere. Mir wurde weniger Raum zugestanden, ich fühlte mich dadurch eingeengt, bedrängt, und ungerecht behandelt, gar gedemütigt.

Ich habe heute einige Tränen des inneren Kindes geweint. Es tut immer gut, wenn es rauskommt.

Vielleicht bin ich ja in dieser Situation, um noch mehr solcher innerer Grenzen zu finden, zu heilen und aufzulösen.

Ich habe immer schon ein Problem damit, meine Grenzen wahrzunehmen und zu schützen. Hier muß ich mich mehr abgrenzen, ohne dabei wieder wie früher mal völlig auf Distanz zu gehen. Vielleicht ist es ein gutes Übungsfeld, das richtige Maß zwischen Nähe und Distanz zu finden.

Sonntag, 17. Oktober 2010

Die Legehenne

Starker Text von GLR:

"Der Alltags-Zombie: in seinem eigenen geistigen Käfig gehalten, ausgesaugt und schließlich geschlachtet

Vom Alltag als Zombie gehirngewaschene Individuen sind praktisch vollständig auf eine Außenstimulation konditioniert. Sie sind dazu erzogen und geprägt, wie Tiere in einer Farm (siehe Orwells "Animal Farm") gehalten und ausgenutzt zu werden. Irgendeine obrigkeitliche Instanz regelt ihre Existenz. Man stellt ihnen ihre Arbeitssituation zur Verfügung: ihren „Legehennenplatz“. Um dessen himmelschreiende Unnatürlichkeit zu kompensieren, gewährt man ihnen für den Rest der Zeit, genannt "Freizeit", die bestmögliche Unterhaltung und lenkt sie damit ab. Am Ende werden sie erbarmungslos geschlachtet."

http://www.schamanenschule.de/blog/2010_10.htm#n20101016

Das trifft mich mitten ins Herz, denn es beschreibt exakt meine aktuelle Arbeitssituation. Ich hatte selber in dieser Woche das Bild einer Legebatterie vor Augen, als ich an meinen neuen Arbeitsplatz kam (neues Gebäude). Käfig an Käfig gereiht, mit genormter Größe, und jeder Käfig mit 4 Insassen belegt, bei ebenfalls genormter Aufstellung der Büromöbel nahezu ohne jede individuelle Änderungsmöglichkeit, weil die Räume bis zum letzten Quadratmeter ausgenutzt (vollgestopft) sind. Ein funzeliger Aktenschrank für jeden, 4 Tische je 80*160 cm² (30-50% weniger Arbeitsfläche als zuvor), zwei direkt nebeneinander gestellt, zwei gegenüber, Viererblock.

PC rechts, Telefon links, Stuhl mittig, Augen ge-ra-de-aus und - zack zack - losprogrammieren!

Zu dumm, daß ich als Linkshänderin den PC links haben muß, weil sonst das Kabel der Maus nicht lang genug ist. Das war vom System nicht vorgesehen („Änderungswünsche erst ab nächster Woche“), nur durch viel Überzeugungsarbeit und intensives Bitten konnte ich die Mitarbeiterin der Fremdfirma davon überzeugen, für mich den PC links aufzubauen. Das war eine Lektion in "das Individuum zählt hier nicht", aber von Mensch zu Mensch gesprochen ließ sich dann doch etwas bewegen.

Den Tisch habe ich dann am nächsten Tag in Eigenarbeit mit passendem 6-Kant-Schlüssel auf meine Sitzhöhe eingestellt, um von Rückenschmerzen verschont zu bleiben. Aus Sicherheitsgründen hätte ich diese Arbeit vermutlich nicht selber tun dürfen, das war mir aber egal. Ich habe auch versucht, die völlig verdreckten Fenster zu reinigen, leider ohne Erfolg, da extreme Kalkrückstände vermutlich nur mit scharfer Chemie zu entfernen sind.

4 Personen auf 27 m², vorher waren es 2 Personen auf knapp 23 m², es wird uns aber als fantastische Verbesserung „verkauft“. Das ist neben der Demütigung das Schlimmste, diese Verarschung, und möglicherweise glauben diejenigen, die das verkünden, sogar noch selber daran.

Ja, natürlich gibt es wesentlich schlimmere Arbeitsbedingungen, auch in Deutschland, auch bei gleicher Tätigkeit (darauf verweisen meist die Kollegen, die ihre Unzufriedenheit nicht zugeben wollen), aber ist das ein Argument? Ein Gefängnis bleibt ein Gefängnis, auch wenn die Mauern wirklich nett in einem warmem Terracotta-Ton gestrichen sind.

Wir sind jetzt auch verpflichtet, das Brandzeichen unseres Eigentümers – ähm, pardon, den Firmenausweis – jederzeit offen sichtbar zu tragen. Und wir sind verpflichtet, Menschen ohne Brandzeichen zu denunzieren – ähm, pardon, anzusprechen, ob sie denn einen Ausweis und eine Berechtigung zum Betreten des Gebäudes haben.

Firmenausweise kenne ich von anderen Arbeitgebern, als Zugangsberechtigung finde ich das ganz ok. Aber im internen Bereich, ohne Kundenkontakt, einen Ausweis anheften? Und muß jetzt jeder den Hilfssheriff spielen, weil an einer ordentlichen Gebäudesicherung gespart wird? Fehlt noch, daß wir morgens zum Absingen der Firmenhymne im Innenhof antreten müssen – kommt bestimmt noch, wenn die Chinesen unsere Wirtschaft vollständig übernommen haben.

Ich habe mich am neuen Arbeitsplatz sehr, sehr schlecht gefühlt, ums Überleben gekämpft, jeden Tag eine andere Veränderung (winzig) ausprobiert, um mich halbwegs „bei mir selbst“ zu fühlen. Ich kriege „Platzangst“, wenn den ganzen Tag direkt neben mir jemand sitzt, ich bin dann nicht bei mir, kann meinen inneren Raum nicht schaffen und mich nicht auf die Arbeit konzentrieren. Das liegt nicht an den Kollegen, die sind sehr nett und hilfsbereit, aber die ganze Arbeitssituation ist eine Katastrophe.

Nach einigen Tagen habe ich mich aus Verzweiflung eine Treppe hinuntergestürzt. Na ja, von außen betrachtet sieht es so aus, daß ich ausgerutscht bin, aber ich weiß natürlich, daß so ein „Unfall“ kein Zufall ist. Da ich kurz zuvor eine Beschwerde-Mail über die Stolperfallen im Treppenhaus geschrieben hatte (das Gebäude ist teilweise noch ein Rohbau), hatte ich vielleicht mein Unterbewußtsein programmiert (oder umgekehrt, ich weiß nicht mehr so genau, wer in diesem menschlichen Körper die Kontrolle hat und ob es so eine Instanz überhaupt gibt): ein Treppensturz und nachfolgende Krankschreibung ist eine legale Möglichkeit, zu der dringend erforderlichen Auszeit zu gelangen, um mich von diesen psychischen Schocks zu erholen. Leider war es meine eigene Treppe zu Hause, und nicht die Rohbautreppe. So kann ich nicht beweisen, daß mein Arbeitgeber eine Mitschuld an meinem Unfall trägt: durch die nicht artgerechte Legehennenhaltung.

Die extrem negativen Gedankenschleifen habe ich zunächst in meine Krankheits-Auszeit mitgeschleppt, dazu die körperlichen Schmerzen mehrerer schwerer Prellungen. Seit heute geht es mir seelisch endlich wieder besser, ich bin wieder bei mir selbst angekommen und habe neuen Mut. Ich werde alles tun, um im Käfig noch eine Weile durchzuhalten, denn ich bin bei der Wahl zwischen zwei schlechten Alternativen noch lieber von einem privaten Arbeitgeber abhängig als vom Staat (letzterer ist noch grausamer und bezahlt zudem noch viel schlechter), und ich brauche das Einkommen, um überhaupt einen sinnvollen Ausweg finden zu können, denn der kostet Geld und Zeit.

Wenn noch ein Platz frei ist, melde ich mich nächste Woche zur Weiterbildung „Natur- und Wildnispädagogik“ an. Das kann ich parallel zum Job machen, und dann werde ich ja sehen, wohin es sich und mich entwickelt.

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Kraft der Gemeinschaft

Eine der schönsten Erfahrungen an diesem Wochenende war die Verbundenheit mit den anderen teilnehmenden Frauen und dem Leitungsteam (es war ein reiner Frauenkurs). Ich bin ja eher der Typ „einsame Wölfin“ und habe beispielsweise die Gemeinschaftsaufgaben, die meiner Gruppe zugeteilt waren, mehr im Alleingang als gemeinsam mit den anderen gelöst. Erst auf der Rückfahrt wurde mir klar, wie oft andere Frauen mich gefragt hatten, ob sie mir helfen können – nicht nur bei den Gemeinschaftsaufgaben, sondern auch beispielsweise beim Auf- und Abbau meines privaten Zelts. Ich habe meistens abgelehnt, denn ich bin es gewohnt, für mich alleine zu sorgen und alles alleine zu machen.

Erst im nachhinein hat es so richtig „klick“ gemacht. Moment mal, ich bin ja gar nicht ganz alleine auf der Welt, da gibt es auch noch andere Menschen. Und die hängen auch nicht an mir im Sinne einer zusätzlichen Last, sondern die können mich auch entlasten. Und die machen das sogar noch gerne, helfen mir gerne, und gemeinsam geht es womöglich schneller und macht vielleicht sogar mehr Spaß. Die Teamarbeit des Feuerbohrens hat jedenfalls sehr viel Spaß gemacht, und es war ein gemeinsames Erfolgserlebnis. Mir hat sehr gutgetan, wie ich bereits beim Schnitzen des Holzbohrers immer wieder angesprochen wurde, wie ich vorankomme, und es wurde auch konkrete Hilfe angeboten.

Auch bei den Vorbereitungen, um einen Löffel zu schnitzen, wurde mir Hilfe angeboten, die ich dann ausnahmsweise mal annahm. Die Leiterin zeigte mir, wie ich die Axt ansetzen muß, um das Holzstück zu spalten. Und dann führte ich den Hieb alleine aus. Ich kann mich nicht erinnern, wann mir zuletzt jemand in dieser praktischen Weise Hilfe zur Selbsthilfe angeboten hat. Ich kenne es eigentlich nur so, daß ich mir alles alleine (unterstützt allenfalls durch schriftliche Anleitungen) beibringen muß, was überaus mühsam ist, auch wenn ich meistens ganz gut zurechtkomme.

Obwohl ich gar nicht so ein Gruppenmensch bin, hatte ich während der Abschlußrunde das Gefühl, daß hier in sehr kurzer Zeit eine Gruppenseele entstanden ist, daß diese Frauen für ein Wochenende zusammengewachsen waren. Es gab einen sehr harmonischen Umgang miteinander und relativ wenig Rollenspiele, es war ein authentischer Kontakt. Ich würde sehr gerne die eine oder andere mal wiedertreffen, mir vielleicht dann auch noch mehr Zeit für tiefgehende Gespräche nehmen, denn Alleinsein kann ich auch zu Hause, das fehlt mir nicht so.

Auf der Rückfahrt hielt ich kurz hinter dem Camp an, um ein Telefonat per Handy zu führen. Während ich die Nummer anwählte, hielt ein anderes Auto knapp vor mir. Es war offenkundig eine andere Teilnehmerin, die sich vergewissern wollte, daß ich kein technisches Problem mit meinem Auto habe. Irritiert, aber auch berührt, schaltete ich das Handy aus und startete den Wagen, woraufhin der Wagen vor mir auch wieder weiterfuhr.

Irgendwie hat mir dieses Erlebnis „den Rest“ gegeben. Ich war tief berührt von dieser Anteilnahme und Hilfsbereitschaft, in einem starken emotionalen Schwall flossen die Tränen. Nun fielen mir all die kleinen Situationen wieder ein, in denen mir freundlich Hilfe angeboten worden war, was ich nur am Rande registriert hatte. Ich war sehr berührt und beglückt.

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Gemeinschaft tut gut. Und wir sind ja auch alle ein Stück weit voneinander abhängig und können gemeinsam mehr bewirken als jeder für sich alleine. Die Gemeinschaft ist mehr als die Summe der Einzelmenschen. Um z.B. ein großes Tipi abzubauen, braucht es viele Hände. Ich habe nur zugeschaut, beim nächsten Mal helfe ich mit.

Ich kann diese Erfahrung nur weiterempfehlen: ein Wildnis-Kursus oder auch eine Gruppenreise in die Wildnis (habe ich in jungen Jahren öfters gemacht) bringt erstaunlich viel Lernerfahrungen in kurzer Zeit, wenn man sich darauf einläßt.

Berufung?

Heute morgen wachte ich mit einer sehr depressiven Stimmung auf. Wieder ins Büro zu müssen nach einem Wochenende in freier Natur mit einem starken Gefühl der Sinnhaftigkeit und Freiheit – die Hölle!

Wir wurden am Ende des Survival-Kurses davor gewarnt, daß es „normal“ sei, nach einer solchen Erfahrung in eine Depression zu fallen. Begründung: der Aufenthalt in frischer Luft unter freiem Himmel löst Glückshormone aus, die im normalen Zivilisationsalltag nicht anhalten können. Wir wurden aufgefordert, möglichst viel weiterhin draußen zu sein, uns etwas Gutes zu tun, um gegenzusteuern.

Ich glaube, das geht noch viel tiefer. Das Leben in und mit der Natur ist auch unsere menschliche Natur, das brauchen wir so dringend wie Essen und Trinken. Ein Leben inmitten von Beton- und Asphaltwüsten amputiert einen wesentlichen Teil unseres Menschseins, macht uns zu Zivilisationskrüppeln.

Dazu kommt die Diskrepanz zwischen dem Freiheitsgefühl des recht selbstbestimmten Lebens im Rahmen eines Outdoor-Camps und der Sklaverei des fremdbestimmten Angestelltendaseins.

Ich war mit mindestens einem Bein außerhalb der Matrix. Den Abstand zum normalen Alltag habe ich unglaublich intensiv wahrgenommen, das fing mit der Rückfahrt vom Camp schon an. Ich war so voll von Eindrücken von den Menschen, die ich dort kennengelernt habe, von einigen neuerlernten Techniken, die wirklich sinnbehaftet sind, weil sie dem menschlichen Leben an dessen Basis dienen, von der Ungezwungenheit und Freiheit von Zivilisationsballast. Ich spürte einen riesengroßen Abstand, wie eine unsichtbare Wand zwischen mir und der normalen Welt.

Der Anpassungsdruck ist aber riesengroß. Letztes Jahr nach meiner Schwedenreise hat es mich fast zerrissen, diese Diskrepanz zu spüren. Ich konnte damit nicht umgehen, fand keinen einfachen Ausweg aus der zivilisatorischen Falle, in die ich wieder gehen mußte, mir fielen nur Brachiallösungen ein (Job kündigen ohne Zukunftsperspektive, dauerkrank werden o.ä.), zu denen mir dann doch der Mut fehlte.

Zuletzt ging es mir ja wieder recht gut, vermeintlich. Ich hatte mich offenbar einlullen lassen, mich wieder gut eingerichtet im Gefängnis. Diese Gefahr ist auch jetzt gegeben. Ich merke, wie die anderen Sklaven an mir zerren, um mich zurückzuziehen. Sklaven fühlen sich von freien Menschen bedroht. Und solange ich selber nicht wirklich frei bin, kann ich die innere Zerrissenheit nicht ertragen. Also lasse ich mich zurückziehen, also passe ich mich wieder an und ein, lasse mich verbiegen und verbiege mich selber, um wieder systemkonform zu sein.

Als ich mich zu diesem Kursus anmeldete, hatte ich nur das vage Gefühl, daß dies eine gute Krisenvorsorge sein könnte – und ich sehnte mich nach wenigstens zwei Nächten im Zelt, das hatte mir in diesem Sommer sehr gefehlt. Die Erfahrung ging aber tiefer. Sie hat mich daran erinnert, daß ich in der falschen Rolle feststecke. Ich bin keine Programmiererin, das ist nur ein Job, um Geld zu verdienen. Es entspricht mir nicht (mehr). Nur die ersten Jahre meines Berufslebens war ich damit glücklich. Schon mit Ende 20 kam die erste große Krise. Seitdem immer wieder, im Abstand von wenigen Jahren.

Mein Problem in diesen Krisen war immer: ich fand einfach kein Berufsbild, das mir besser entspricht. Ich müßte einen neuen Beruf für mich erfinden. Und an dieser Hürde bin ich bisher stets gescheitert. Das Berufsbild HEXE, das mir vielleicht noch am nächsten kommen würde, gibt es in der heutigen Gesellschaft nicht.

Mit Brachiallösungen komme ich hier nicht heraus. Die inneren und äußeren Widerstände sind zu groß, sie würden mich überfordern. Es kommt keine Zauberfee, die den Stab schwingt und mich in ein neues Leben versetzt. Mit dem Kopf gegen die Zellentür anzurennen, bewirkt auch nichts außer blutigen Beulen.

Nein, ich muß kleine Schritte gehen, auch wenn die Ungeduld mich schneller vorwärtsdrängen möchte. Ich muß das tun, was mir jeweils möglich ist, wohl mit Herausforderung, aber ohne Überforderung.

Vor einigen Monaten überlegte ich, mich auf eine höhere Position beim gleichen Arbeitgeber zu bewerben. Ich verwarf es schließlich, denn es war nicht das, was ich wirklich wollte. Vorletzte Woche war ich so stinkig über die Entwicklung an meinem Arbeitsplatz, daß ich ein Bewerbungsschreiben für eine ausgeschriebene Stelle eines anderen Arbeitgebers verfaßte.

Bevor ich das abschicke, müßte ich aber erst meine Bewerbungsunterlagen auf einen aktuellen Stand bringen, das verschob ich auf die Zeit nach dem Survival-Camp. Und nun merke ich: nein, ich will mich auch nicht bei einem anderen Sklavenhalter bewerben, denn das würde gar nichts ändern. Ich wäre in der Anfangszeit wieder stark eingespannt, mich auf neue fachliche Inhalte und neue Menschen einzustellen, das würde meine freie Energie völlig absorbieren und auf längere Sicht doch nichts an meiner Situation ändern. Die Gefängnismauern wären anders angestrichen, das wäre die einzige Änderung.

Ich habe keinerlei Erfahrungen, wie ich mein Geld anders verdienen könnte als mit Angestelltentätigkeit. In der Verwandtschaft habe ich auch keine anderen Vorbilder. Als Schülerin habe ich mal recht erfolgreich Nachhilfe gegeben, das ist die einzig abweichende Erfahrung, die liegt aber sehr lange zurück. Mein frühester Berufswunsch war Lehrerin.

Voriges Jahr hatte ich die Vision, daß ich gerne anderen Menschen das vermitteln würde, was mir wichtig ist. Das Leben in und mit der Natur. Ich könnte Seminare geben, oder etwas in der Art. Eine komplette berufliche Umorientierung, ein kompletter Neuanfang. Doch bald erschreckte ich vor dem hohen Ziel. Wer ein loderndes Feuer als Ziel vor Augen hat, schafft es nicht, mit Bedacht die noch sehr schwache zarte Glut anzupusten. Ich will es diesmal anders machen. Mich darauf konzentrieren, die glimmende Glut zu nähren, damit sie nicht wieder erlischt. Ob daraus in der Zukunft mal ein Feuer wird, wird sich dann erweisen.

Vielleicht entscheide ich mich für eine Weiterbildung im Bereich Wildnispädagogik, das spricht mich an. Ich muß ja nicht vorab schon wissen, wo mich das hinführt, wichtig ist der Weg in die richtige Richtung. Und dann einfach anfangen!

Dienstag, 5. Oktober 2010

Feuer empfangen

Am Wochenende habe ich einen Survival-Grundkurs besucht. Das war eine sehr intensive und schöne Erfahrung. Ich schreibe bestimmt nochmal mehr darüber, jetzt will ich erstmal nur ein Detail beleuchten.

Ich habe gelernt, daß das Feuermachen (besser: Feuer empfangen) ein sehr guter Spiegel sei. Bei mir war es so: an der Spindel, die ich für das Feuerbohren geschnitzt habe, habe ich sehr lange gearbeitet, trotzdem wurde sie nicht dünn genug. Ich beließ sie schließlich bei 2 cm Dicke, weil ich keine Geduld zum Weiterarbeiten hatte und endlich ein Ergebnis sehen wollte. Beim Feuerbohren in einem Team zu dritt ging unser Feuer nicht an. Die Glut aus zermahlener Holzasche war da, ließ sich aber nach dem Übertragen in das vorbereitete Feuernest nicht durch Pusten entzünden.

Die Leiterin fragte uns daraufhin, ob wir das aus unserem Leben kennen, daß die Glut da ist, aber dann erlischt, bevor das Feuer brennt.

Am nächsten Tag machten wir in einer neuen Team-Zusammensetzung einen neuen Versuch. Wir waren mit Konzentration und Achtsamkeit dabei, auch mit Begeisterung. Die Spindel quietschte, es qualmte ordentlich und ergab viel schwarze heiße Asche. Eine Frau übertrug die Asche in ihr Nest (aus trockenem Stroh und verschiedenen leicht brennbaren Samen) und pustete vorsichtig, während ihr der Qualm in die Lunge drang. Schließlich zündete die Glut, das Nest brannte, das Gruppen-Erfolgserlebnis war da. Große Erleichterung.

Ich wollte dann gerne selber auch ein Nest zum Brennen bringen. Ich war nun schon etwas erschöpft vom Ziehen des Bohrers, aber dennoch gab es wieder Qualm und heiße Asche. Diese schüttete ich etwas hastig in mein Nest, schloß es dann und pustete minutenlang kräftig hinein. Ich spürte, wie meine Hände warm wurden, ein sehr angenehmes Gefühl, es rauchte auch, aber es war keine Flamme zu sehen. Ich wurde dann darauf aufmerksam gemacht, daß ich nicht einfach blind pusten darf, sondern die Glut sehen muß, um zu erspüren, was sie braucht. Es war nichts mehr zu machen, ich hatte das Feuer im Keim erstickt.

Auch hier wieder die Frage an mich, woran mich das erinnert, ob ich das aus meinem Leben kenne.

Ja klar kenne ich das. Ich bin Widder, immer mit dem Kopf durch die Wand. Das geht oft schief, dann gibt es Beulen, aber keinen Erfolg. Ich bin zu ungeduldig und zu unachtsam. Ich hätte ruhiger und achtsamer mit der Glut umgehen müssen, auch erstmal warten müssen, bis diese sich von selbst weiter ausbreitet. Wer wie ich aus etwas heißer Asche sofort ein loderndes Feuer entzünden will, erstickt es vor dem Entstehen.

Wo ich das im Leben konkret wiederfinde, ist auch klar: bei meiner beruflichen Situation. Nach meiner Reise nach Schweden im letzten Jahr war ich so high und von meiner eigenen Kraft überzeugt, daß ich versucht habe, mit Gewalt mein berufliches Leben völlig umzustülpen. Ich habe nach einer Vision für einen neuen Beruf gesucht. Da waren auch einige Ideen und gute Gedanken, aber es war offenkundig noch nicht reif. Ich habe zu kräftig gepustet und die anders als in meiner Vorstellung in Wahrheit doch noch sehr schwache Glut erstickt.

Zudem war ich noch zu stark im Ego-Gedanken verhaftet. Aus dem Ego entsteht nichts Gutes. Unterdessen gab es einige Erfahrungen, in denen sich das Ego temporär fast auflöste, nicht mehr wahrgenommen wurde. Ich bin darüber generell etwas ruhiger und gelassener geworden. Gut Ding will Weile haben. Das Feuerbohren hat mir gezeigt, daß noch mehr Ruhe und eine achtsame innere Haltung notwendig ist, bevor ich mein Feuer entzünden kann.

Es ist auch legitim, die Glut zu schützen, solange sie noch schwach ist. Nicht jeder Mensch sollte dann in meiner Nähe sein, nur diejenigen, die mein Feuermachen unterstützen. Diese Unterstützung hatte ich an diesem Wochenende, trotzdem hat meine eigene innere Ruhe nicht gereicht.

Ein Erfolgserlebnis mit dem Feuer hatte ich dennoch. An einem Morgen fiel meiner Gruppe die Aufgabe zu, das Feuer für die Gemeinschaft zu entzünden. Da die anderen noch schliefen, habe ich das ganz alleine gemacht. Es gab noch genug Glut vom Vorabend, und ich hatte Holzspäne und Kieferrinde zurückgelegt. Ich schichtete die Materialien auf die Asche des Vortags und pustete gar nicht lange, da brannte es schon. Dann habe ich das Feuer noch eine Weile bewacht und genährt, bis es wieder zuverlässig hoch brannte und ich den Wasserkessel aufsetzen konnte.

Ich empfand eine sehr tiefe Dankbarkeit. Nicht „ich“ (Ego) habe das Feuer entzündet, sondern es wurde mir und der Gemeinschaft geschenkt. Es war eine heilige Handlung, die ich ausführen durfte. Ich bin immer noch tief berührt davon.

Freitag, 1. Oktober 2010

Wer bin ich?

Heute bei der Tanz-Therapie war unerwartet „mein“ Abend, d.h. die Thematik drehte sich um mich. Zu meiner aktuellen Situation hatte ich zu Semester-Beginn ein Bild gemalt mit einer leuchtenden kräftigen Sonne, die spiralförmig Energie nach außen abgibt – auf der rechten Seite. Auf der linken Seite sitze ich als kleines Menschlein etwas zusammengekrümmt und lehne mich an einen riesengroßen schwarzen Stein, mit einer Gedankenblase mit einem Fragezeichen und einem Blitz. Diese Bilder werden immer intuitiv gemalt, so, wie ich mich zu dem Zeitpunkt wahrgenommen habe.

Die Übungen des heutigen Abends drehten sich um Last, Belastung, Last tragen und andere belasten, Sonne, Sonnenstrahlen weitergeben, geben und nehmen, was kann ich der Welt geben? Und was brauche ich von der Welt?

Es gab auch Partnerübungen, einer ist die Sonne, der andere der schwarze Stein, die Last. Dann Rollentausch. Schließlich jeder für sich: die Balance finden zwischen diesen Extremen.

Ganz zum Schluß war ich dann aufgefordert, alleine zu tanzen. Heute das erste Mal, daß ich ganz alleine ein Thema vor der Gruppe getanzt habe. Die Aufgabe an mich: „Wer bin ich?“

Sehr passend. ;-)

Die Musik setzt ein und es geht so blitzschnell, daß ich mich in die Situation reinfinde, daß keine Zeit für viele Gedanken bleibt. Das ist der Trick bei diesen Übungen. Ich habe vielleicht am Anfang ganz kurz ein geistiges Bild, aber das verliert sich schnell, der Körper bewegt sich von alleine, ich verschmelze mit dem Tanz oder bin allenfalls Beobachterin dessen, was ich tue.

Bei mir flossen heute einige Mal Tränen, es gab aber auch Phasen tiefen Glücks. Diese Stimmungen wechseln so schnell.

Ich habe heute etwas über mich gelernt. Die Last empfand ich gar nicht als belastend, sondern als normal und leicht. Niemand belastet mich, ich habe mir die Last, die ich trage, selber ausgesucht. Ich habe es sogar genossen, als zwei Menschn an mir hingen und auf mir drauflagen. Zuerst habe ich mit Lust dagegen gekämpft, aber dann habe ich mich genauso freudig dieser "Belastung" ergeben. Ich muß nichts tun, ist doch wunderbar!

Der schwarze Stein ist nichts böses, dunkles, schweres, er ist ein Schutzraum. Ich kann mich hinter ihm vor der Welt verstecken, wenn ich Raum und Zeit für mich brauche. Und das brauche ich. Ich bin verletzlich und schutzbedürftig. Ich bin sehr weich. In mich geht vieles rein, viele Einflüsse, ich habe durchlässige Grenzen. Ich brauche den Rückzug dann und wann, um Kraft zu schöpfen, um zurück zu mir selbst zu finden. Der Stein ist also nichts negatives, er tut mir gut.

Zudem habe ich gemerkt, daß ich mich nach einer starken Schulter sehne, an die ich mich ab und zu mal anlehnen kann. Ich lehne an dem Stein, wünsche mir aber manchmal einen Menschen, bei dem ich mich fallenlassen kann. Heute gab es einige wunderbare Begegnungen im Tanz, viel körperliche und seelische Nähe. Und einige haben mir auch genau den Halt gegeben, den ich brauchte. Das hat sehr gutgetan.

Ich muß immer stark sein im Alltag, darf selten Schwäche zeigen. Ich trage sehr viel Last, in der Tat, mehr, als mir selber oft bewußt ist. Und dennoch nehme ich diese Last leicht. Aber ich brauche den sporadischen Rückzug.

Ich sehe gerade die Verbindung zu meiner Arbeit. Manchmal gehe ich dort stark nach draußen, bin aktiv im Kontakt mit Kollegen, setze sehr viel Energie ein um voranzukommen, bin sehr produktiv. Und dann gibt es Tage, wo ich mich hinter meinem Bildschirm verkrieche und nur alleingelassen werden will. Genau das spiegelt mir das Bild, das ich gemalt habe. Beides sind Anteile von mir, und beide sind gut! Der innere Konflikt, den ich am Arbeitsplatz habe, beruht darauf, daß ich meinen Kollegen und Vorgesetzten nur meine starke Seite zeigen will – und die schwache Seite verstecken möchte. Letztere kommt im Berufsleben ja auch nicht sehr gut an, schon gar nicht in unserer Gesellschaft. Sie ist aber legitim, sie gehört zu mir, sie ist sehr wichtig.

Gerade kommen mir die Tränen. Es ist die weiche, weibliche, verletzliche Seite, die ich nicht so gerne zeige. Die aber da ist und ihren Platz beansprucht. Ich will mehr auf sie achtgeben, sie hat es verdient.

Aus dem Rückzug schöpfe ich schließlich die Kraft und vermutlich auch die Kreativität, um dann wieder vorwärts zu stürmen.

Ja, und jetzt lächelt es in mir. :-) Die verletzliche zarte kleine Louise will schließlich nur wahrgenommen und in den Arm genommen werden. Sie braucht besonders viel Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Sie ist liebesbedürftig. Und wenn ich ihr das gebe, dann schenkt sie mir so viel zurück.

Jetzt ist da wieder dieser stille Frieden, den ich seit einigen Monaten so oft empfinden darf. Ein seeliger innerer Frieden, manchmal leicht melancholisch, manchmal freundlich-freudig, immer ein wenig „weggetreten“ aus der Alltagswelt.

Es war ein wunderbarer Abend. Ich bin dankbar, daß ich so wunderbare Begegnungen erleben darf.

Mein Abschluß-Tanz entwickelte sich so: erst war ich klein zusammengekauert, mit etwas Scham und Traurigkeit, versteckte mich vor den Zuschauern. Ich blieb lange in Umarmung mit mir, dann öffnete ich langsam die Augen und mich der Welt. Ich ging zu den Menschen und schenkte jedem ein Lächeln – und alle schenkten sie mir eines zurück. Zuletzt öffnete ich mich noch zu kraftvollen Drehungen: hier bin ich, schaut mich an, ich bin wirbelnde Energie. Am Schluß verblieb Stille. Mein eigener Kommentar zu meinem Erleben war nur: „Schön“ – denn was gibt es da viel zu sprechen?

Nachher hilft das Reden auch, der Austausch über die Erfahrungen des Abends, wenn jeder in der Runde seine Eindrücke schildert, aber das intensive Erleben läßt sich kaum in Worte fassen. Es bleibt die wortlose Sprache des Tanzes, und die schwingt noch nach.

Nach dem Tanzen war bei mir viel Traurigkeit – ich suche anscheinend doch noch nach der fehlenden Vaterfigur, bei der ich mich anlehnen kann, das machte mich traurig. Jetzt ist die Traurigkeit gelöst, ich habe das suchende Kind in den Arm genommen, bin mir selber Mutter und Vater. Stiller Friede, leises Glück, Dankbarkeit. :-)

Und wer bin ich nun? Keine Ahnung. ;-) Besser nichts benennen, nur genießen...