Samstag, 6. August 2011

Laubhütte

Endlich war es soweit. Schon seit Monaten fieberte ich mit zuerst viel Angst und zuletzt viel Lust dem Bau und dem Schlafen in einer Laubhütte entgegen. Mit einer Freundin zusammen dauerte es über 4 Stunden, eine Hütte aus einem Firststamm, angelegten Zweigen und einer Abdeckung aus Fichtenzweigen und viel Laub zu bauen. Der Eingang war gut einen Meter breit und so hoch, daß ich bequem aufrecht sitzen konnte – eigentlich ähnlich wie in meinem kleinen Zelt – nur rein aus Naturmaterialien. Wir banden die Äste teilweise mit Binsen und Rindenresten fest, um der Konstruktion noch mehr Halt zu geben.

Es hatte in der Nacht zuvor noch geregnet, deshalb gab es kaum richtig trockenes Material, es war überwiegend etwas klamm. Den Boden der Hütte deckte ich deshalb noch mit Fichtenzweigen (von einem jüngst gefällten Baum) und darauf ebenfalls einer knapp 10 cm dicken Laubschicht ab (hätte gerne noch mehr sein dürfen, aber dann war ich zu müde).

Während am Anfang, als ich diese Aufgabe im Rahmen meiner Weiterbildung gestellt bekam, noch Widerwillen und Angst überwogen, blieb zuletzt nur reine Freude. Ich war glücklich, als ich nachts in diese Hütte kroch. Mit einigen heißen Steinen aus dem Feuer hatte ich noch versucht, die Feuchtigkeit aus der Unterlage verdampfen zu lassen, aber das reichte nicht aus.

Ich wollte unbedingt – wenn schon, denn schon – ohne Isomatte und Schlafsack auskommen. Das Laub reichte aber nicht aus, um mich darin einzugraben und ohne Decke war es trotz der milden Sommernacht etwas kühl. Ich schlief dadurch unruhig, fröstelte vor mich hin und lauschte den ungewohnten Nachtgeräuschen. Es waren mit hoher Wahrscheinlichkeit viele kleinere und größere Tiere in dem kleinen Wäldchen unterwegs, denn wir hatten viele Spuren gesehen und schon während des Abends immer wieder Geräusche gehört.

Einen kurzen Moment der Angst gab es, als ein Geräusch recht nahe war, aber dann beruhigte ich mich schnell wieder.

Es tat unglaublich gut, den Erdboden unter mir zu spüren. Ich bin ein Kind der Erde, wovor sollte ich Angst haben? Wenn ich auf dem Rücken lag, war es stockschwarz um mich herum. Drehte ich mich zur Seite, sah ich etwas Licht durch den Eingang. Einige Mal spürte ich ein Krabbeln auf der Haut. Was mir vorher noch etwas Sorgen gemacht hatte (werden Ameisen, Zecken oder Spinnen mich anknabbern), führte nun nur noch zu einer leichten Wischbewegung, um die unsichtbaren Tiere abzustreifen.

Erwartet hatte ich, daß ein klaustrophobisches Gefühl von „Begrabensein“ auftreten würde. Das war aber nicht der Fall, ich fühlte mich sauwohl in dieser Höhle. Um 3:30 Uhr gab ich es auf, die Kälte weiter auszuhalten und legte mir einen leichten Deckenschlafsack locker über. Danach schlief ich bis in die Morgenstunden durch, bis nach 8:00 Uhr, was relativ lang ist, wenn ich draußen schlafe. Schade, daß ich keine Tiere gesehen habe. Das nächtliche Konzert der Vögel war so auch schon beendet.

Kurz nach dem Aufwachen traf ein Sonnenstrahl mein Gesicht durch das dichte Blätterdach der umstehenden Bäume. Da wußte ich, daß ich alles richtig gemacht habe. Ich fühlte mich super nach dieser Nacht.

Am Vormittag hatte ich dann noch Gelegenheit, ein wenig durch das kleine Wäldchen zu streifen. Ich fühlte mich wunderbar, sehr verbunden mit der Natur. Beim Umarmen einer sehr alten Eiche flossen dann die Tränen von tief innen. Es war ein Gefühl von Ankommen und Loslassen. Eine weitere Barriere zwischen mir und der Natur war gefallen. Tränen der Freude und Tränen des Schmerzes über die vielen „verlorenen“ Jahre, in denen ich zu weit weg war von mir und von der Natur (was eh ein und dasselbe ist).

Es fällt mir immer schwer, in Worte zu fassen, was ich in solchen Momenten spüre. Auf jeden Fall sind solche Erfahrungen für mich unglaublich heilend.

Ich folgte einem Tierpfad durch ein mooriges Brombeergestrüpp, balancierte ein wenig auf einem toten Baumstamm und trat dann aus dem Wald heraus an den kleinen Bach, der dort floß – auf der anderen Seite ein Maisfeld.

Genau an meiner Stelle war das sumpfige Ufer leicht zugänglich, und es lag nahe, dort mal die Füße reinzustecken. Ach was, wenn schon, dann ganz, beschloß ich schnell. Ich zog mich nackt aus und legte mich in das nur 40cm tiefe Wasser. Das war mein allererstes Bad im Freien in diesem Jahr, und es tat unglaublich gut. Dieses Freiheits- und Glücksgefühl ist unbeschreiblich. Mir kam es vor wie eine Taufe. Nach der Erdtaufe letzte Nacht jetzt die Wassertaufe (und die Feuertaufe gab es vorher auch schon).

Ich fühlte mich wie im Paradies. Die Sonne schien warm. Vom leichten Wind ließ ich mich antrocknen (die Windtaufe auch noch), dann zog ich mich wieder an. Die letzte Herausforderung für diesen Morgen war dann ein Weg barfuß über die gemähte Weide mit vielen schon wieder sprießenden Brennesseln. Ich wußte es, daß sie mich heute nicht verbrennen würden (ich setzte meine Füße mit Bedacht neben die kleinen Pflanzen).

Mein Gott, war das schön! Voller Dankbarkeit und Freude verließ ich diesen schönen Ort!

3 Kommentare:

  1. Hallo Louise,

    du bist ja wirklich sehr mutig!
    Ich würde mich das nicht getrauen.

    L.G. Tao

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Tao,

    wovor hättest Du denn Angst? Ängste sind dazu da, um sich ihnen zu stellen. Ich bin diese Aufgabe auch schrittweise angegangen, habe zunächst einige Mal unter einem Tarp geschlafen.

    Zudem war ich nicht alleine im Wald, meine Freundin schlief in der Nähe. Und mein Auto war auch nicht weit weg. Beides gab mir sehr viel Sicherheit.

    Bei mir ist Angst auch oft mit einer großen Sehnsucht gekoppelt. Die hast Du bestimmt auch, sonst würdest Du hier nicht in einem Kommentar meinen Mut bewundern.

    Das Gefährlichste nachts im heimischen Wald sind meines Erachtens andere Menschen. Wovor sonst sollte man dort Angst haben?

    Da, wo ich war, war das Risiko gering, auf andere Menschen zu treffen.

    Wir sind verbunden mit unserer natürlichen Umgebung. Ich kann nur jeden ermutigen, diese Verbindung zu suchen. Es lohnt sich!

    Liebe Grüße,
    Louise

    AntwortenLöschen
  3. Hallo Louise,

    für mich ist das Übernachten in der Natur nichts, was mich jetzt unbedingt anziehen würde. Außerdem hätte ich da Angst, im Schlaf von großen oder kleinen unangenehmen Tieren überrascht zu werden.....

    Was ich aber einfach nur sagen wollte ist, das ich es bewundere, wie du das einfach so durchziehst.

    Liebe Grüße

    Tao

    AntwortenLöschen