Dienstag, 5. April 2011

Stille im Wald

Heute habe ich erstmals eine ganze Stunde still in der Natur gesessen. Bis auf weiteres nehme ich als Sitzplatz mal die Bank am Rande des Moores, direkt am Waldrand. Der Platz hat für mich den Vorteil, daß ich mich von hinten nicht so angreifbar fühle, weil dort eine Schonung eingezäunt ist. Von dort kann sich also weder Mensch noch Tier so leicht nähern.

Nach vorne habe ich einen etwas erhöhten Blick auf das Moor, auf den Trampelpfad dort mitten durch und auf den Weg am Waldrand auch in beiden Richtungen. Ich fühle mich so geschützter vor Menschen, weil es nicht so wirkt, als ich würde ich mich verstecken oder mich „sonderbar“ verhalten. Ich habe noch nicht genug Selbstvertrauen, um ganz gelassen und angstfrei am Boden sitzenzubleiben, wenn ganz in der Nähe Menschen vorbeigehen. Dann lieber so, in ihren Augen „normal“ auf einer Bank sitzend.

Es kam dann auch ein Paar vorbei, wir wechselten sogar einige freundliche Worte über diesen wunderschönen Ort. Eine sehr angenehme Begegnung.

Schade war nur, daß sie den Feldhasen verscheuchten, der sich kurz zuvor ganz nah – vielleicht 10-15m – niedergelassen hatte, um sich zu putzen. Ich hatte eine Bewegung links neben mir halb gesehen, halb gehört, aber mehr geahnt, und sah zuerst eine Bewegung der weißen Innenohren, als das Tier sich hinter einem Busch schüttelte. Dann hüpfte es auf den Weg direkt vor mir und kratzte sich hinterm Ohr. Ich konnte das Geräusch dabei hören, das war spannend. Der Hase entdeckte mich erst kurz darauf, wirkte beunruhigt, blieb aber sitzen. Aber die näherkommenden Spaziergänger erschreckten ihn, er sprang sofort auf, verschwand schnell wieder im Unterholz und kehrte leider auch nicht wieder zurück. Trotzdem ein magischer Moment, einem scheuen Hasen so nahe zu sein.

Ich sah ansonsten wenig Tiere (mit Ausnahme eines Graureihers und zwei Gänsen in der Ferne), hörte die Vögel nur im Hintergrund beim Abendkonzert. Das war mir schon wiederholt aufgefallen: warum sitzen keine Vögel in den Birken und Kiefern im Moor? Warum landen sie nicht am Rande der überschwemmten Wiesen, warum überfliegen sie das Gelände nicht zumindest? In meinem Garten ist es ganz leicht, Amseln und Meisen zu beobachten. Dort am Waldrand sehe ich sie nicht einmal. Vielleicht ist der markierte Pfad tagsüber zu stark von Menschen begangen, so daß die Vögel sich andere Rückzugsgebiete gesucht haben. Auch ein Reitweg führt dort entlang. Trotzdem wundere ich mich. Ich werde das im Verlauf des Jahres mal weiter beobachten.

Vielleicht liegt es ja auch nur daran, daß jetzt die Nistzeit naht. Und daß die Vögel nicht direkt neben dem Spazierweg brüten, wenn es genug andere Plätze für sie gibt, kann ich schon verstehen. Dann müßte ich abseits der Wege in den Wald gehen, um den Vögeln näherzukommen – im Naturschutzgebiet aber gewiß nicht gerne gesehen. Schade. Dabei bin ich doch auch als Mensch ein Teil der Natur. Warum werden Menschen in Naturschutzgebieten ausgesperrt? Ich würde nichts zerstören, aber natürlich könnte ich Tiere stören – es gibt leider viel zu wenig freie Natur in Deutschland, es sind ja nur noch winzige Inseln.

Zurück zu meiner Erfahrung: ja, es wurde tatsächlich schön still in mir. Und ein-, zweimal war ich so berührt davon, daß ich mich dort aufgehoben fühlen darf, daß einige Tränen kamen. Es ist ein Weg der Heilung für mich, ganz offensichtlich. Ich will unbedingt öfter mal den Weg dorthin finden, dann werde ich mich gewiß noch besser einlassen können. Ganz gut, daß es heute abend bei nur 10,5°C nicht so viele Menschen dorthin lockte.

Ich liebe es, den Wind auf der Haut zu spüren und in den Bäumen zu hören, wobei sich das Rascheln des trockenen Eichenlaubs (das erst beim Neuaustrieb abfallen wird) ganz anders anhört als die Bewegung in den Kiefern. Ein einzelnes trockenes Eichenblatt, das über den Weg geweht wurde, machte solchen „Lärm“, das ich erschrocken zusammenzuckte. Überhaupt achte ich dort so aufmerksam auf Geräusche, daß ich „die Flöhe husten höre“. Sehr viele leise, feine Geräusche kann ich nicht zuordnen. Das löst Angst aus, so daß ich mich oft ruckartig umsehe. Dieses Knistern in der Kiefer über mir – ob das das Öffnen der Zapfen sein könnte? Oder verstreuen diese ihre Samen schon im Herbst? Ich habe es schon beim letzten Mal ständig gehört und mich gewundert, was es wohl ist.

Wenn ich mich mehr an die Geräusche der Natur gewöhne, wird meine Angst, plötzlich überrascht zu werden von Mensch oder Tier, gewiß geringer. Ich freue mich schon darauf.

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