Dienstag, 27. Juli 2010

Massenpanik

Eigentlich dachte ich, daß ich meinen nächsten Eintrag hier zu dem wunderbaren Sommer schreiben werde, den ich eine viel zu kurze Urlaubswoche lang genießen durfte. Am Ende dieser Woche stand aber der zufällig eingeschaltete Fernseher, um nur mal kurz Nachrichten zu sehen, und dann diese schrecklichen und schockierenden Bilder aus Duisburg. Entsetzlich.

Diese Bilder der in der Todesfalle zusammengepferchten Menschen bewegen mich sehr. Diese Hilf- und Ausweglosigkeit. Die völlige Ohnmacht der im Kessel Feststeckenden. Diese Panik. Der unglaubliche Druck auf menschliche Körper. Die Atemnot. Die Todesangst.

Mein Mitgefühl gilt den Toten und den Überlebenden.

Wie kann man nur Menschen wie Vieh in Gattern einsperren und in diese Falle hineintreiben? 20 Tote, über 500 Verletzte und sicher viele Tausend schwer Traumatisierte. War es das Risiko wert? Eine Großveranstaltung dieses Ausmaßes ist gewiß immer mit Risiken behaftet, die sich vermutlich auch nicht alle im Vorwege ausräumen lassen. Aber hier scheint das Sicherheitskonzept ja völlig versagt zu haben.

Warum gehen Menschen überhaupt auf solche Massenveranstaltungen? Ich habe so etwas nie gesucht, auch als junger Mensch nicht, und würde es heute erst recht vermeiden. Ich kann somit die Motivation dieser Menschen nicht aus eigener Erfahrung beurteilen, aber ich könnte mir vorstellen, daß es u.a. auch um Aufhebung der persönlichen Grenzen geht. Menschen sehnen sich einerseits nach extremer Darstellung ihres Egos und andererseits nach Auflösung desselben. Es geht um Eintauchen in der Masse, Untergehen des eigenen kleinen Ichs und Verschmelzen mit den vielen anderen. Das zu aufputschender Musik (wer sie mag) und ggf. aufputschenden legalen und illegalen Drogen.

Die Menschen suchen nach Überschreitung ihrer eigenen engen Grenzen, nach einem größeren Ganzen, nach Sinn. Oberflächlich scheint es um exzessive Lustgefühle zu gehen, aber darunter vermute ich bei vielen eine ganz tiefe Sehnsucht. Das sind alles Sucher (wenn auch noch sehr unbewußt).

Sie suchen am falschen Ort. Statt nach außen zu gehen, sollten sie besser nach innen gehen. Raus aus der Menschenmasse und rein in die Einsamkeit. Da ist viel eher zu finden, wonach sie sich sehnen.

Wie auch bei anderen großen Katastrophen-Ereignissen verfolge ich auch diesmal die Berichterstattung am Bildschirm und im Internet gebannt mit. Ich werde dadurch ein wenig zu einer Mitbeteiligten, zu einer Mitbetroffenen. Auch mich lassen dann manche Bilder nicht mehr so schnell los. Ich fühle mich ein in diese Situation, versuche zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, und was die Menschen in den unterschiedlichen Rollen dieser Tragödie bewegt haben mag. So hat das schreckliche Geschehen auch für mich eine kathartische Wirkung.

Es kommt mir vor wie ein Menetekel der Spaßgesellschaft. Ein Tanz auf dem Vulkan, der jetzt mal eine kurze Aschewolke ausgestoßen hat, die einen größeren Ausbruch vielleicht nur ankündigt (hiermit meine ich den drohenden Untergang des Weltfinanzsystems, den ich auch als eine Folge menschlichen Größenwahns ansehe).

Geht es nach kurzer Besinnung weiter wie gehabt? Oder gibt es mal eine Zäsur? Gar eine Bewußtseinsänderung? Muß denn immer alles noch größer und noch wahnsinniger werden? Wann kehren wir als Gesellschaft zum menschlichen Maß zurück?

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