Donnerstag, 8. Juli 2010

Highly Sensitive Person

Auf der Seite www.zartbesaitet.net habe ich heute einen online-Test gemacht: mit dem Ergebnis, daß ich "mit an Sicherheit grenzender Gewißheit eine HSP" bin. HSP steht für "Highly Sensitive Person", diesen Ausdruck habe ich heute zum ersten Mal gelesen.

Als ich die Auswertung las, schossen mir sofort die Tränen in die Augen. Ich war sehr berührt. Das ist bei mir ein sicheres Zeichen für die innere Wahrheit. Erst seit einem Jahr weiß ich, daß ich eine Schamanin bin. Und nun also diese "Diagnose". Vielleicht sind das auch nur verschiedene Begriffe für die gleiche Eigenschaft: besondere Empfindsamkeit, tiefere Wahrnehmungsfähigkeit als im statistischen Durchschnitt der Menschen.

Ich werde mich jetzt natürlich in das Thema einlesen, um so mehr über mich zu erfahren, was ich sicher immer schon weiß, aber vergessen/verdrängt habe.

Was mache ich jetzt mit dieser Erkenntnis? Wie ich als Person bin, ist ja "nur" Teil der Illusion. Aber es ist wichtig, zu wissen, wer und wie ich bin, um in der materiellen Welt gut leben zu können.

Ich glaube, für mich ist wichtig, meine Sensibilität besser anzunehmen und liebevoller damit umzugehen. Das ist keine "Schwäche", sondern ein Teil meiner Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit.

Im allgemeinen stehe ich ja zu meiner Emotionalität, schäme mich beispielsweise nicht, auch in der Öffentlichkeit die Tränen laufen zu lassen, wenn mir danach ist. Aber es gibt einen Bereich, in dem ich mir "Schwäche" vorwerfe: den beruflichen Bereich.

Mir wird jetzt gerade sehr klar, daß meine Arbeitsweise eine Folge meiner hochsensiblen Veranlagung ist. Bei mir gibt es starke Schwankungen zwischen hohem Einsatz, auch in hektischem Trubel, lautstarken Diskussionen, hochkonzentrierter Arbeit und nachfolgend langen Pausen, in denen ich nur entspanne und/oder meinen persönlichen Neigungen nachgehe, um zu mir selbst zurückzufinden. Ich brauche diesen Wechsel, denn einerseits langweilt mich monotones Einerlei unsäglich (also regelmäßige gleichbleibend intensive Arbeit), andererseits kann ich meine kreativen und energieexplosiven Phasen nicht auf Dauer durchhalten, sie überfluten mich mit Eindrücken und bringen mich an Überforderungsgrenzen. Danach brauche ich eine Atempause, in der ich "faul" sein kann. In Summe stimmt meine Arbeitsleistung dabei aber.

So, und nun habe ich ein Problem. Ich muß meinem Arbeitgeber klarmachen, daß ich Rückzugsmöglichkeiten brauche, um gut arbeiten zu können. Unsere Unterbringung in drangvoll engen 4-Personen-Büros nach einem Umzug in ein neues Gebäude im Herbst dieses Jahres wird meine Arbeitsfähigkeit und Gesundheit mit Sicherheit stark beeinträchtigen. Ich habe daran schon sehr starke Kritik geübt und bin nur auf völliges Unverständnis gestoßen.

Vielleicht warte ich die Situation erstmal ab. Wenn es dann so kommt wie befürchtet und ich mich nachhaltig beeinträchtigt fühle, werde ich das Gespräch mit meinem Vorgesetzten suchen. Zu dem Begriff "HSP" habe ich bis dahin bestimmt gute Argumente. Wenn das dann nicht zu einer Verbesserung meiner Arbeitsbedingungen führt, werde ich mir vielleicht einen neuen Job suchen müssen!

Noch arbeite ich ja im 2-Personen-Büro und genieße so sporadisch auch das Alleinsein, wenn der Kollege Feierabend gemacht hat oder im Urlaub ist. Es ist himmlisch, ab und an diesen völligen Rückzug von den Kollegen zu erleben. An anderen Tagen genieße ich andererseits intensive Fachgespräche und Diskussionen. Bei mir macht der Wechsel den Reiz und die Effizienz meiner Arbeit aus.

Es macht mich schon seit Monaten wahnsinnig wütend, daß wir Mitarbeiter alle über den gleichen Kamm geschoren werden sollen. Alle bekommen gleich miese Arbeitsbedingungen mit zu kleinem Schreibtisch, mickrigen Rollcontainern, einem kleinen Schrank und kaum Bewegungsspielraum – das werden Arbeitskäfige, nicht menschliche Büroräume. Bestimmte Arbeitsabläufe, die enge Kontakte zu Kollegen erfordern, sind in den neuen Büros gar nicht mehr möglich, oder nur bei extremer Störung der Büronachbarn.

Für mich ist dieser Firmenumzug eine riesige Hürde, die sich schon lange vor mir aufbaut. Es hat für mein weiteres Leben irgendeine wichtige Bedeutung, ich weiß nur noch nicht welche. Vielleicht soll es mich lehren, mit dieser Überforderungssituation umzugehen, vielleicht soll es mir aber auch den Anstoß geben, einen neuen Job zu suchen.

Vielleicht brauche ich einen Arbeitgeber, der nicht meine im Büro abgesessene Zeit bewertet (das ist nach meinem Geschmack ja sowieso viel zu viel), sondern die erzielte Arbeitsleistung. "Zielvereinbarungen" schreiten anscheinend sowieso voran in der Arbeitswelt, aber bisher nur auf höheren Hierarchieebenen. Und ich hätte auch Sorge, im Fall von Minderleistung durch Krankheit oder Belastungssituationen dann abgestraft zu werden.

Es fühlt sich gerade so an, als habe ich einen weiteren Teil des Rätsels "Wer bin ich und was soll ich hier?" gelöst. Ich bin erleichtert, daß ich jetzt eine Erklärung für meine unorthodoxe Arbeitsweise gefunden habe. Dafür habe ich mich oft selber kritisiert und fertiggemacht. Nun verstehe ich, daß es für mich überlebensnotwendig ist. Dann werde ich auch einen Weg finden, eine mir entsprechende Arbeit zu machen - zur Not bei einem neuen Arbeitgeber.

1 Kommentar:

  1. Hallo kam grad auf Deinen Blog und lese sehr gerne hier ;)
    Bin auch HSP und schreib dazu auch immer wieder in meinem Blog.
    Liebe bayrische Grüße von Regenfrau ;)

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