Donnerstag, 21. Oktober 2010

neue Arbeitssituation

Wenn ich von der Arbeit freigestellt bin, kann ich normalerweise wunderbar abschalten, den Berufs-Alltag hinter mir lassen und mich ganz auf mich und meine Genesung konzentrieren. Diesmal ist es anders. Immer wieder die quälenden Gedanken an die für mich unerträgliche Arbeitssituation, dazu den ganzen Kopf noch voll mit tausend Dingen, die im Haushalt getan werden wollen, weil ich sonst nie Zeit dafür habe. Ich fühle mich sehr erschöpft, kann aber trotz der Nachwirkungen meines Treppensturzes einiges tun, solange ich nicht stundenlang stillsitzen oder stehen muß.

Ich komme kaum zur Besinnung. Dabei wäre die jetzt sehr wichtig, bevor ich wieder ins Büro zurückgehe. Neben den objektiv verschlechterten Arbeitsbedingungen muß es auch etwas in mir geben, was mich so stark reagieren läßt. Die Kollegen sind auch unzufrieden, kommen aber anscheinend irgendwie zurecht.

Etwas in mir löst die starke „Platzangst“ aus, das Bedürfnis nach räumlichem und innerem Rückzug, das Bedürfnis, mich abzuschotten, abzugrenzen, Mauern aus Papierstapeln und Aktenablagen zu bauen.

Ein Aspekt dabei ist meine starke Sensibilität für äußere Einflüsse. Mich machte das regelmäßige „klong“ eines Bewegungsmelders verrückt, er klingt ähnlich wie ein tropfender Wasserhahn und sorgt für Beleuchtung am Arbeitsplatz, sobald sich jemand bewegt, also normalerweise alle paar Sekunden (wer sich zu lange nicht bewegt, sitzt im Dunkeln, auch auf der Toilette beispielsweise). Ich wäre durchaus selber in der Lage, das Licht ein- und auszuschalten, aber nein, wir werden entmündigt, um Strom zu sparen. Auf Kosten dieses nervenden Überwachungsgeräts. Fehlte noch, daß dort eine Kamera drin wäre, es sieht so ähnlich aus...

Es wurde zugesagt, daß Abhilfe geschaffen werden soll. Hoffentlich, sonst klebe ich das Ding ab, damit es seine Klappe hält.

Ähnlich gelagert ist wohl, daß ich sehr stark die Geräusche der Kollegen wahrgenommen habe, jedes tiefere Atmen, die Tastaturen sowieso. Ich höre drei Menschen ganz nah und finde meinen eigenen Raum dabei nicht, das geht alles in mich rein und lenkt mich ab. Auch wenn ich sie nicht hören würde (habe überlegt, ob ich mit Ohrstöpseln im Büro sitzen sollte), würde ich sie fühlen/spüren. Es ist einfach deren Energie im Raum, von vier unterschiedlichen Menschen, die (noch) nicht harmonieren.

Mein Kollege gegenüber hat mir früher mal erklärt, daß jeder Mensch seine eigene Energie mitbringt, sein Prana. Wer „gutes Prana“ hat, gibt zwangsläufig an diejenigen ab, die „schlechtes Prana“ haben. Nach einiger Zeit gibt es einen Energieausgleich. Nach seiner Darstellung habe ich bisher von ihm profitiert. Vielleicht profitieren jetzt die neuen Kolleginnen von mir, und ich fühle mich dort deshalb so leergesaugt?

Mir war aufgefallen, daß ich in der Mittagspause und erst recht abends sehr weit von mir selbst weg war, ganz schlecht bei mir, ganz anders als zuletzt im alten Büro. Und ich war ungeheuer erschöpft, obwohl ich kaum etwas geschafft hatte.

Ich hatte auch Kopfschmerzen, möglicherweise auch wegen der Ausdünstungen der nagelneuen Materialien. Die neue Umgebung raubt meine Energie, so erkläre ich mir jetzt meinen Zustand. Vielleicht wird das im Laufe der Zeit besser.

Es ist gut, daß ich da erstmal für eine Weile raus bin. Falls diese Erklärung stimmt, finde ich es unfair, daß ich mehr Energie abgeben muß als bisher. Andererseits habe ich bisher stark von der ruhigen Ausstrahlung meines Kollegen und vielen Gesprächen profitiert, vielleicht ist es jetzt an der Zeit, daß ich etwas weitergeben muß. Vielleicht harmonisiert sich die Energie im Raum ja noch.

Solange es mich so schlaucht, möchte ich so gut es geht auf meine Grenzen achten, evt. Gespräche direkt an meinem Schreibtisch ablehnen, öfter Pausen machen, den Raum verlassen, um irgendwo Luft zu holen. Leider bin ich ja gezwungen, unnatürlicherweise immer (im Schnitt) die gleiche Stundenzahl abzureißen, egal wie ich mich fühle und auch egal, wie viel Arbeit anliegt. Ich werde mich notgedrungen erstmal stark zurückziehen, ich habe das schon instinktiv richtig gemacht. Ich brauche Schutzraum, so gut es unter den schlechten Bedingungen geht, solange bis ich mich dort wieder halbwegs wohlfühle.

Irgendwas soll ich auch aus dieser Situation lernen. Daß meine Kollegen nicht „meine Feinde“ sind, darauf wurde ich schon aufmerksam gemacht. Und das berührte etwas in mir, anscheinend habe ich früher schlechte Erfahrungen gemacht. Und heute kam mir eine Kindheitserinnerung hoch, die eine Rolle spielt. Obwohl ich die Ältere war, bekam ich immer das kleinere Kinderzimmer, mein Bruder das größere. Mir wurde weniger Raum zugestanden, ich fühlte mich dadurch eingeengt, bedrängt, und ungerecht behandelt, gar gedemütigt.

Ich habe heute einige Tränen des inneren Kindes geweint. Es tut immer gut, wenn es rauskommt.

Vielleicht bin ich ja in dieser Situation, um noch mehr solcher innerer Grenzen zu finden, zu heilen und aufzulösen.

Ich habe immer schon ein Problem damit, meine Grenzen wahrzunehmen und zu schützen. Hier muß ich mich mehr abgrenzen, ohne dabei wieder wie früher mal völlig auf Distanz zu gehen. Vielleicht ist es ein gutes Übungsfeld, das richtige Maß zwischen Nähe und Distanz zu finden.

2 Kommentare:

  1. die arbeitssituation, wie du sie beschrieben hast, kenne ich nur zu gut.
    ich wünsche dir kraft ersteinmal durchzuhalten und irgendwann den zu dir passenden job zu finden!!

    liebe grüße

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  2. Danke Sania!

    Du hast wunderschöne Fotos in Deinem Blog. Sobald ich mal wieder mehr zur Besinnung gekommen bin, besuche ich Dich mal.

    Grüße zurück :-),
    Louise

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