Freitag, 1. Februar 2013

Awareness-Training: 1. Woche

Die erste Woche des Awareness-Trainings ist vorbei. Was habe ich gelernt? Vor allem habe ich über mich einiges gelernt. Meine Frustrationstoleranz ist in bestimmten Bereichen sehr gering. Ich kann nicht gut ertragen, wiederholt mit Nichtwissen und eigenem Unvermögen konfrontiert zu werden. Ich will immer schnelle Erfolge sehen, sonst gebe ich leicht auf. Es fällt mir sehr schwer, auf andere Menschen zu achten. Ich nehme fremde Menschen kaum wahr, sie gelangen kaum in mein Bewußtsein. Ich war total überfordert mit der Aufgabe, Menschen genau zu beobachten und mich dann am Abend noch daran zu erinnern. Ich hatte überhaupt keine Lust dazu, es erschien mir wie Zeitverschwendung. Offenbar bin ich so egozentrisch, kreise nur um mich selbst, daß es mir als Zumutung erschien, andere Menschen wahrzunehmen. Ziemlich schlimm, meine Einstellung. Nach dieser Woche hat sich etwas verändert. Manchmal gehe ich zwar immer noch mit Scheuklappen durch die Gegend, aber sehr oft bin ich aufmerksam und schaue Menschen, die mir auf der Straße, in der S-Bahn oder erst recht am Arbeitsplatz begegnen, genau an. Und ich kann mir besser Details ihres Aussehens merken. In der S-Bahn trainiere ich nun regelmäßig: ich sehe eine kurze Zeitlang eine Person an, schließe dann die Augen und rufe mir das Erscheinungsbild in Erinnerung. Danach überprüfe ich meine Wahrnehmung. Oft muß ich das einige Mal wiederholen, bis ich ein klares inneres Bild habe. Aber dann bleibt es erhalten, auch noch längere Zeit und läßt sich zuweilen auch abends oder gar am nächsten Tag wieder zurückholen. Ich weiß gar nicht, wie ich das mache, wie ich mir das merke. Es ist nicht anstrengend. Die Wahrnehmung als solche finde ich anstrengend, weil ich mich dazu überwinden muß, so aufmerksam zu sein. Aber wenn ich die Hürde genommen habe, ist die Erinnerung nicht mehr so schwer. An einem Tag passierte es mir mehrfach hintereinander, daß mich eine fremde Person anlächelte bzw. daß ich ein kurzes Gespräch beim Kassieren in einem Bistro führte. Beides ist für mich untypisch und hatte offenbar damit zu tun, daß ich diese Menschen länger als üblich angeschaut habe. Jeder Mensch möchte gerne gut wahrgenommen werden. Es wird sicher meine Kontaktfähigkeit verbessern, wenn ich weiter übe, Menschen wahrzunehmen. Allerdings gibt es auch Menschen, denen zu viele Blicke unangenehm sind und vielleicht sogar Aggression hervorrufen. Ich glaube, das war auch einer meiner Gründe, oft nicht so genau hinzuschauen: ich möchte die Privatsphäre anderer Menschen nicht verletzen und bei diesem keine Schamgefühle hervorrufen, wenn er vielleicht etwas an sich hat, das er nicht so gerne zeigt. Da schließe ich wohl vor allem von mir auf andere, denn ich lebe mit vielen Schamgefühlen. Wenn ich Blickkontakt aufnehme oder selbst, wenn ich jemanden von der Seite oder von hinten anschaue, stelle ich eine Verbindung her. Ich muß jeweils vorher wissen, ob ich das will oder nicht.

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