Mittwoch, 8. Juni 2011

tote Möwe

Ich sah eine tote Lachmöwe auf der Straße liegen, deren Federkleid noch weitgehend unversehrt war. Nach einigem Zögern drehte ich um, fuhr zurück und packte das tote Tier in eine Plastiktüte. Heute abend habe ich sie dann im Waschbecken zerlegt.

Ich weiß nicht recht, warum ich das gemacht habe, es drängte mich einfach dazu. Einerseits wollte ich wohl gerne die Federn an mich nehmen, einmal vollständig von einem Vogel. Dann wollte ich mir ansehen, wie der Flügel und das Federkleid aufgebaut sind, und auch mal ausprobieren, ob ich es aushalte, so einen toten Vogel auszunehmen.

Ich wußte nicht, wie es geht, rupfte einige Federn und schnitt dann mit einem Messer den Rumpf auf. Die Leber habe ich erkannt und das kleine Herz – das kenne ich ähnlich vom Weihnachtsgänsebraten. Ansonsten habe ich keinerlei Erfahrung mit toten Tieren.

Es roch nach warmem Blut und Eingeweiden. Die Möwe war auch im Tod noch wunderschön. Ein Wunder der Natur. Feine, weiße Flaumfedern überall, erstaunlich wenig Körper, wenig Gewicht. Zauberhafte Federn, leicht von Blut verschmiert. Ein Auge sah noch wach aus, Lieber hätte ich sie lebendig statt tot gesehen. Ich habe Vögel so lieb.

Sie war dem Straßenverkehr zum Opfer gefallen, nicht einem natürlichen Feind. Vielleicht hat sie Junge hinterlassen, die jetzt verhungern. Ich bin traurig.

Nachdem ich sie mir gründlich angesehen hatte, habe ich die Reste zusammengelegt und mit einem kleinen Blumenstrauß in meiner Restmülltonne „beerdigt“.

Sie war ja schon tot, als ich sie fand. Ich glaube, wenn die große Krise kommt, möchte ich lieber als Vegetarierin leben, bevor ich anfange, wilde Tiere zu töten, um zu überleben. Trotzdem ist die Konfrontation mit dem Tod gut für mich, glaube ich. Bisher hatte ich damit einfach zu wenig Berührung in unserer klinisch reinen Zivilisationswelt. Dabei gehört der Tod zum Leben. Mir scheint, er gibt Tiefe und Ernsthaftigkeit. Ich habe viel geweint heute abend.

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