Samstag, 11. Juni 2011

Nacht im Wald

Die letzte Nacht habe ich an meinem Sitzplatz geschlafen – einem meiner Sitzplätze im Wald. Ich kam erst nach 22:00 Uhr dorthin, im Halbdunkel spannte ich dann eine einfache grüne Plane (2*3m) als Tarp auf, da Regen angekündigt worden war. Ich wollte es bewußt unkompliziert machen, hatte nur wenig Sachen dabei, vor allem Isomatte, Schlafsack und ein kleines Kissen.

Anders als sonst, wenn ich (im Urlaub) im Zelt geschlafen habe, habe ich mich auch nicht umgezogen, sondern nur Jacke und Schuhe ausgezogen und dann rein in den Schlafsack.

Ich lag sehr uneben und zusätzlich mit seitlichem Gefälle, so daß es schwierig war, die Position zu halten. Zudem war der neue Schlafsack vom Discounter sehr rutschig, rund um die Schultern zu eng, und der Reißverschluß ging ständig auf. Es war unbequem, aber jedenfalls warm (fast zu warm).

Die Mücken starteten ihre Attacken typischerweise erst genau dann, als ich endlich ruhig lag. Aber damit hatte ich gerechnet und war darauf vorbereitet. Ich zog mir ein Mückenschutznetz über Kappe und Gesicht. Das Summen dicht an meinem Ohr konnte ich so gelassen ertragen. Das Gesicht wurde verschont, stattdessen wurden meine Finger mehrfach angezapft, was mir unangenehm heiße Hände machte.

Etwas Angst hatte ich vor dem Schlafen im Wald, aber ich dachte seit der Entscheidung am Tag vorher nicht lange darüber nach, sondern ging es einfach an. Ängste muß man möglichst bei den Hörnern nehmen.

Als ich die widerspenstige und laut knisternde Plane aufspannte (es gab nicht genug Abspannpunkte an Bäumen, so mußte ich einige Zeit herumprobieren, wie es gehen konnte) und mit selbstgeschnitzten Heringen aus Totholz an zwei Seiten feststeckte (also zwei Seiten offen), machte ich mir klar, daß es eigentlich einfach nur Arbeit ist, was ich da tue – nichts besonderes. Auch jedes Tier macht sich einen Schlafplatz zurecht, so auch der Mensch, wenn er unterwegs ist.

Ich lag so, daß ich den Mond sehen konnte, bis er später von Wolken verdeckt wurde. Nach einiger Zeit leuchtete ein heller Stern (vielleicht eher ein Planet) genau von oben auf mich herunter und ließ mich lächeln. Das nahm ich als gutes Zeichen dafür, daß ich hier willkommen bin. Es war sehr, sehr still im Wald, nachdem die Vögel nach und nach verstummt waren. In der Ferne hörte ich die Straße sowie sporadisch weitere Zivilisationsgeräusche. Ich stellte mir vor, daß ein Säugetier in meine Nähe kommen könnte (z.B. eines der Rehe, deren Spuren ich in der Nähe am Bach gesehen habe), und hätte mich darüber gefreut. Aber es blieb ruhig um mich herum, zumindest bemerkte ich nichts.

Wenn ich meine Hand ausstreckte, konnte ich den Stamm der großen Kiefer berühren, an der gelehnt ich einige Mal gesessen habe. Das war sehr beruhigend. Nachdem ich erstmal unter der Plane lag, hatte ich keine Angst mehr. Ich fragte mich nur, warum ich mir das antue, statt einfach gemütlich in meinem Bett zu liegen.

Ich schlief sehr unruhig, war gefühlt alle 20 Minuten wach. Es wurde kaum richtig dunkel, obwohl Bewölkung aufzog. Der Regen blieb aus, so daß ich mir die Plane eigentlich hätte sparen können.

Gegen 5:00 Uhr wachte ich mal wieder auf und hörte ein wunderschönes vielstimmiges Vogelkonzert. Ich glaube, so intensiv habe ich es noch nie gehört. Ich konnte mich trotzdem nicht richtig darauf einlassen, denn ich war traurig, ohne zu wissen warum. Eine Zeitlang hörte ich noch den Vögeln zu, dann pellte ich mich aus dem Schlafsack und ging wenig später daran, alles wieder abzubauen.

Als die paar Sachen gepackt waren, überlegte ich, ob ich noch einige Zeit einfach sitzenbleiben sollte, um den jungen Tag zu genießen – einmalige Gelegenheit, denn sonst bin ich nie so früh auf – aber mir fehlte die innere Ruhe. Ich schaute noch kurz nach dem Amselnest in der Nähe. Ich konnte aus einiger Entfernung nichts erkennen, was mich erneut traurig machte. Zweimal habe ich die Amselmutter in den letzten Wochen aus ihrem Nest vertrieben, einige weitere Mal war ich dicht daran vorbeigepoltert – ob ich sie dazu veranlaßt habe, ihre Brut aufzugeben? Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Küken schon flügge sind, so schnell geht das doch nicht? Schade, ich hätte so gerne mal eine Amsel beim Füttern ihrer Küken beobachtet. Aber noch mehr stimmte mich der Gedanke traurig, daß ich vielleicht Ursache eines Brutmißerfolgs bin.

Wie zur Bestätigung gab es dann laute Warnrufe einer Amsel, die offenbar mich als Bedrohung outen sollten. Ich hatte aber nicht den Eindruck, daß es was mit dem Nest zu tun hatte, sondern eher generell mit meiner Anwesenheit im Wald.

Als ich dann mit meinem Gepäck durch Unterholz ging, fühlte ich mich wie ein Fremdkörper. Ich bin entsetzlich laut, wenn ich mich im Wald bewege, vertreibe alle Tiere schon aus weiter Entfernung und störe sie in ihrem Tagesablauf. Ich möchte gerne lernen, mich lautlos im Wald zu bewegen. Dann würde ich mich weniger als Eindringling fühlen.

Ich bin ein wenig stolz jetzt, daß ich diese Herausforderung gemeistert habe. In Zivilisationsnähe zu kampieren, finde ich schwieriger als in echter Wildnis. Zum Glück gab es in der Nacht kein erschreckendes Hundegebell in der Nähe und auch sonst keine ungewohnten Geräusche. Es war eigentlich so vertraut, als hätte ich in meinem Garten geschlafen. Nichts besonderes.

Jetzt kann ich mir auch vorstellen, im Wald mal eine Laubhütte zu bauen und dann dort zu schlafen. Das wäre nur sehr zeitaufwendig und ich bin nicht ganz sicher, ob ich den richtigen Ort schon gefunden habe – hat aber auch noch etwas Zeit.

Auf dem Weg nach Hause mit dem Auto stellte ich überrascht fest, daß schon einige Autos unterwegs waren - und daß der Bäcker um die Ecke schon um 5:30 Uhr öffnet. So gab es heute frische Brötchen zum Frühstück – draußen auf meiner Terrasse, während die Nachbarschaft noch schlief.

Ich spürte meiner Traurigkeit noch nach: sie enthielt Naturentfremdung und Sehnsucht nach mehr Naturverbindung, Einsamkeit, Sehnsucht nach Gemeinschaft mit gleichgesonnenen Menschen und sogar etwas Sinnlosigkeit – wozu dieses ganze anstrengende Leben, warum kann ich mich nicht einfach hinlegen und nichts tun? Wozu das ganze Gerenne und Gehetze? Ich sehne mich nach Vereinfachung und Entschleunigung meines Lebens.

Ich bin ein Kind der Erde. Warum sollte ich mir nicht diesen Raum in freier Natur zurückerobern? Das bedeutet Freiheit!

1 Kommentar:

  1. Ich war heute morgen auch unterwegs und da fasste ich den Entschluß es auch mal auszuprobieren: Draußen im wald bei naher Zivilisation zu übernachten (ich finds auch einfacher in den Bergen z.b. wo eh weniger unterwegs sind.
    So ein Mückennetz fürs Gesicht brauch ich noch, hab nämlich Schiß vor Käfer, Spinnen dass die mir in Nase, Ohr, Mund krabbeln. Alles andere stört mich nich.
    Schön Deine Erfahrung zu lesen :)
    Vielleicht kam die Traurigkeit auch daher, dass Du zuviel erwartet hast?
    LG

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