Samstag, 6. Februar 2010

Matrix und ich

Heute ist nach wochenlangem Dauerfrost mit ungewohnten Schneemassen endlich mal Tauwetter: bis zu 40 cm tiefe mit Wasser gefüllte Spurrillen in den Nebenstraßen (die Gullys sind noch weitgehend zugefroren), die Bürgersteige spiegelglatt, durch den Wasserfilm auf dem blanken Eis sehr gefährlich.

Ich mußte für einen Arzttermin das Haus verlassen und war heilfroh, als ich wieder zurück war. Einmal bin ich gestürzt, zum Glück nur wenig schmerzhaft. Ich sah auch, wie ein Fußgänger mit offensichtlich gebrochenem Bein von Rettungssanitätern versorgt wurde. Da sollte man möglichst einfach zu Hause bleiben. Am Nachmittag legte ich mich kurz zum Ausruhen hin und schlief dann unerwartet ein bis zum späten Abend. Für meine Gesundheit war das bestimmt hilfreich. Aber ich bedaure, daß ich den Krankheitstag nicht noch mehr für mich nutzen konnte, und sei es nur für Lesen.

Als ich aufwachte, fühlte ich mich sehr stark als Mensch, als Person. Voll drin in der Identifikation, das ist seit Wochen eher ungewohnt. Das Wissen, das ich unterdessen habe, kann ich wohl kaum wieder vergessen. Aber ist es wirklich sinnvoll für alle Menschen, aus dem Alltagstraum aufzuwachen?

Letzte Nacht sah ich nochmals den 1. Teil von Matrix, diesmal sehr aufmerksam auf die philosophischen Inhalte. Ein Mensch wird dort zum Verräter, weil er die Wahrheit nicht erträgt und lieber wieder zurück in die Matrix will. Und über andere Menschen heißt es, daß sie so angepaßt seien, daß sie nicht „entkoppelt“ werden dürften. Und wer zu alt sei, habe es vielleicht zu schwer, vom alten Leben loszulassen.

Es gibt vielerlei Gründe, warum Menschen, wenn sie die Wahl hätten, lieber Mensch bleiben wollten als „Gott“ zu werden. Und warum auch nicht? Vielleicht schafft Gott den Menschen ja unter anderem auch, um sich selbst in dieser Rolle zu vergessen. Wenn einzelne Menschen aus der Rolle ausbrechen, ist das gut. Aber wenn es alle täten, wäre es für das kosmische Schauspiel gar nicht gut. Dann würde ja niemand mehr seine Rolle ernstnehmen.

Für die Weiterentwicklung der Menschheit scheint es aktuell aber hilfreich zu sein, daß mehr Menschen aufwachen als in früherer Zeit. Früher war das gewiß Geheimwissen, nur sehr wenigen Menschen zugänglich. Heute nicht mehr. Wenn man sucht, gelangt man leicht an Informationen, die dabei helfen, die notwendigen eigenen Erfahrungen zu machen. Insbesondere für die westliche Welt wäre es wichtig, den Ego-Zentrismus und Machtwahn zu überwinden. Da kann es nicht schaden, wenn mehr Menschen wüßten, daß es sie als individuelle Person gar nicht gibt.



Die Geschichte von Neo beschreibt eine typische schamanische Entwicklung, finde ich. Zuerst fühlt man sich als der Auserwählte, als etwas Besonderes. Dann fühlt man sich wie der letzte Dreck und wie ein Sklave des Schicksals, wenn man erkennt, daß man keinen eigenen freien Willen hat und nur eine Marionette im kosmischen Schauspiel ist. Man erkennt dann, daß man das eigene kleine „ich“ zum Wohl des Ganzen hingeben muß, daß man sich vollständig opfern muß. Immerhin diese Entscheidung steht einem frei (glaube ich zumindest). Das „ich“ stirbt und kehrt zu Gott zurück. Im Film Matrix fehlt der vierte Schritt: wenn ein Mensch nach dieser „Todeserfahrung“ noch weiterlebt, wenn er zurückkehrt ins Leben, ist er ein anderer als vorher.

Wie soll Gott auf der Erde handeln, wenn nicht durch den Menschen? Ein erwachter Mensch kann wieder Entscheidungen treffen und handeln, fast so wie früher.


Meine Bronchitis wurde mir gegeben, damit ich nochmal Zeit finde, über diese Fragen nachzudenken. Ich habe ja auch eine Doku über die Entstehung von Matrix gesehen und mir gestern zudem eine Sendung mit philosophischen Kommentaren zum Film angehört. Das hat auf mein Unterbewußtsein gewirkt. Und als ich heute abend aus meinem Heilungsschlaf aufwachte, fühlte ich mich nach langer Zeit mal wieder wie ein handlungsfähiger Mensch.

Ich glaube, das ist das Zeichen für mich, daß ich aus der Lethargie aufwachen soll. Es ist schön, in der Stille zu versinken, aber wenn das jeder täte, ginge es mit der menschlichen Evolution ja nicht voran. Ich habe eine Aufgabe in dieser Welt, ich muß meinen kleinen Beitrag leisten. Ich weiß immer noch nicht, worin der besteht, aber zunächst soll ich anscheinend mein gewohntes Leben weiterleben und besser als bisher unter Kontrolle bringen, Ordnung schaffen.

Ich weiß jetzt, daß nicht „ich“ als Mensch irgendeine Kontrolle habe, aber wenn ich das tue, was für mich vorgesehen ist, dann wird es schon funktionieren. Der Mensch ist nicht völlig unfrei, er kann Entscheidungen treffen. Und wenn diese Entscheidungen in den göttlichen Plan passen, dann führen sie auch zu Handlungen. Das Leben, die Lebenskraft führt diese Handlungen aus, durch den Menschen.

Zu diesem Thema habe ich noch kein detailliertes Wissen, habe nur an verschiedenen Stellen einige Andeutungen dazu gelesen, aus denen ich mir jetzt was zusammenreime. Aber es muß so sein, daß der Mensch auch als Individuum zumindest „etwas“ tun kann, nämlich Entscheidungen treffen, „ja“ oder „nein“ sagen, vielleicht sogar eigene Ideen entwickeln. Es erscheint mir logisch und sinnvoll. Wenn der Mensch zu 100% Marionette wäre, wäre das Schauspiel ja auch sehr langweilig. Was hätte Gott von einem zu 100% vorherbestimmten Theaterstück? 99% Marionette und 1% freier Willen – vielleicht ist es so?

Ich könnte jetzt warten, ob ich noch tiefergehende spirituelle Erfahrungen machen darf. Aber meine bisherigen Erfahrungen waren ja auch nicht nichts (schönes Wortspiel, denn in meiner letzten Erfahrung ging es um das Nichts ;-)). In einzelnen Bausteinen habe ich bereits so viel erfahren dürfen. Das darf ich auch nicht geringschätzen. Vielleicht habe ich genug Willen zur Hingabe bewiesen, so daß ich mich jetzt wieder handlungsfähig fühlen darf. Denn im Lebensalltag kann ich nicht vor jeder Handlung in mich gehen, um herauszufinden, ob es denn nun die richtige Handlung ist. Vielleicht darf ich einfach darauf vertrauen, daß ich schon das richtige tun werde – und falls nicht, dann wird Gott ein Mittel finden, mich wieder aufzuwecken und auf den rechten Pfad zurückzuführen.

Wer trifft in mir die Entscheidungen? Ich glaube, es ist das Bewußtsein. Das ist das, was ich bin, wenn ich in der Dualität bin. Das Gewahrsein/Gott, das wir in Wahrheit alle sind, erfahre ich ja nur, wenn meine individuelle Erfahrung ganz stirbt, in der völligen Verschmelzung. Diese Gnade wurde mir bisher nicht zuteil, aber ich glaube, ich war nahe genug dran, um jetzt mein Leben wieder in die vermeintlich eigenen Hände nehmen zu dürfen. Ich spüre einfach, daß ich handeln soll, sobald die Bronchitis überstanden ist. Es gibt so sehr viel zu tun. Hoffentlich bekomme ich die notwendige Energie dafür.

Es gibt auch Entscheidungen, die vom Unterbewußtsein getroffen werden. Der menschliche Körper funktioniert wie ein Roboter, notfalls auch ganz alleine. Aber in geringem Umfang sind auch bewußte Entscheidungen möglich, glaube ich jetzt. Das Bewußtsein entscheidet, die Lebenskraft stellt die Energie zur Verfügung, der Roboter führt die Handlung aus. Ich werde ausprobieren, ob dieses Modell sich als realitätsnah erweist.

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