Montag, 1. November 2010

Mißbrauch

Heute auf dem Weg zur Arbeit empfand ich eine tiefe Traurigkeit. Sie kam nicht aus aktuellen negativen Gedanken, sondern von tiefer unten, das spürte ich. Und dann „hörte“ ich (im Inneren, aber fast wie real) auf einmal sehr nahe eine bedrohliche Männerstimme an meinem rechten Ohr. Jemand, der mir sehr nahe, viel zu nahe ist. Bedrohlich, boshaft, gewaltsam. Für einen kurzen Moment nahm ich einen tiefen Schrecken wahr, große Angst, die wich aber sofort wieder der Depression. Ich hatte dann noch kurz ein inneres Bild, daß dieser Mann mich – mutmaßlich unsittlich - berührt hat (das möchte ich jetzt nicht näher schildern) und ich mich nicht wehren konnte.

Was war das?! Das waren innere Bilder und eine Stimme wie aus einem Mißbrauchsszenario - und das kommt mir "mal eben" in der S-Bahn hoch. Derartige Erinnerungsbilder hatte ich noch nie, und ich habe meine Vergangenheit schon oft gründlich durchforstet. War das eine Erinnerung an ein reales Geschehen oder eine innere Assoziation? Ich weiß es nicht.

Auf jeden Fall waren es alte Gefühle. Möglicherweise etwas, daß durch die ungewollte Nähe am Arbeitsplatz jetzt nach und nach hochgespült wird aus dem Unterbewußtsein. Ich assoziiere körperliche Nähe mit Mißbrauch, anscheinend... Das muß ja irgendeinen Grund haben. Ich habe zuletzt sogar mehrfach von empfundenem Mißbrauch gesprochen, was nüchtern betrachtet für die aktuelle Situation völlig überzogen ist. Aber irgendwoher muß es ja kommen.

Nachdem ich in einem buddhistischen Buch etwas über das „Speicherbewußtsein“ gelesen habe, könnte es sich um Eindrücke auch aus einem vorigen Leben handeln. Irgendetwas bisher Unverarbeitetes.

Das würde erklären, warum ich es als bedrohlich und extrem unangenehm wahrnehme, wenn sich Kollegen von rechts meinem Schreibtisch nähern und dann sehr nahe hinter mir stehen.

Das innere Bild und die Stimme verschwanden schnell wieder, das bedrückte Gefühl blieb heute den ganzen Tag. Am Arbeitsplatz ging es mir heute nicht gut, ich empfand eine drückende Stille einerseits und unangenehme Geräusche andererseits. Ich hatte auch Kopfschmerzen. Trotzdem konnte ich mich phasenweise auf meine Arbeit konzentrieren. Heute abend gab es erst eine gewisse Erleichterung, als ich wieder gut und sicher zu Hause war.

Es ist anscheinend so, daß meine Bürosituation verschiedene alte Traumata in mir berührt – nicht nur die vielen Umzüge in der Kindheit. Ich werde das weiter beobachten und dabei sehr achtsam mit mir umgehen.

Gut fände ich, wenn es jetzt reif zur Verarbeitung wäre. Wenn es alte Gefühle sind, habe ich begründete Hoffnung, daß ich mich am Arbeitsplatz nach deren Abarbeitung besser fühlen werde.

Ich mache mit der Verbeugungsübung weiter. Nach Lama Ole Nydahl soll diese u.a. negative Speichereindrücke hochholen und bereinigen. Vielleicht genau das richtige für mich derzeit. Jedenfalls fühle ich mich jetzt danach deutlich besser, vor allem viel besser bei mir. Bei dieser Übung geht es neben dem körperlichen Aspekt auch darum, Zuflucht zu nehmen zum Buddha, zu seiner Lehre und zur Gemeinschaft. Ich spreche das zugehörige Mantra dazu. Das ist eigentlich sehr merkwürdig, denn ich hatte noch nie mit Buddhismus was am Hut. Aber es fühlt sich total richtig an. Und gerade nach diesem merkwürdigen Ereignis heute brauche ich ein wenig Halt. „Zuflucht“ nehmen – das fühlt sich für mich gut an.

Ich trinke jetzt erstmal einen Hexen-Kräutertee und schaue, ob ich weiter entspannen kann.

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