Freitag, 12. November 2010

Abgrenzung und Wut

Heute war ein interessanter Tanz-Abend. Mir mißfielen zunächst fast alle Übungen, ich fand sie schrecklich. Bei einer Partner-Übung sollte eine streng sein und der anderen nonverbal Befehle erteilen, die diese dann ausführen sollte. Ich fühlte mich in beiden Rollen total unwohl, als würde mir etwas übergestülpt, was ich nicht bin. Dann ging es weiter mit einer Übung zu dritt: zwei tanzen zusammen und grenzen die Dritte aus. Das fand ich genauso blöd, entsprach mir überhaupt nicht. Dann nochmal zu zweit: eine tanzt, die andere soll Kontakt suchen, aber ständig abgewiesen werden.

Ich fand das so bescheuert, daß ich während der Übung darüber nachdachte, die Tanz-Therapie im nächsten Semester nicht fortzusetzen (und eher etwas mit freiem authentischen Tanz zu suchen). Erst ziemlich spät überlegte ich auch, ob ich nicht die Übung einfach verweigern könnte. Ich blieb dann drin, aber ging nicht richtig tief in diese von mir abgelehnten Rollen rein. [Später bekam ich ein positives Feedback dazu, daß ich trotz meiner starken Unlustgefühle die Übung versucht habe.]

Dann kam eine Übung „womit erregst Du Aufmerksamkeit“? Ich hatte nur negative Assoziationen, vor allem Wut. Mit geballten Fäusten ging ich durch den Raum, machte Schattenboxen, aber richtig viel Energie war hinter der Wut nicht. Als dann eine Frau Kontakt über sehr freundliche und zarte Bewegungen suchte, schmolz meine Wut sofort dahin und ich ließ mich auf sie ein.

Nachher gab es noch einige schöne Übungen, die mich mit dem Abend versöhnten.

In der Gesprächsrunde wurde mir dann einiges klar, und es arbeitet auch jetzt noch in mir weiter. Über Wut suche ich eigentlich Kontakt. Ich suche Nähe über Abgrenzung, was natürlich schwer funktionieren kann. Die Abgrenzung entsteht daraus, wenn ich mich zuvor abgelehnt gefühlt habe, nicht wahrgenommen, nicht ernstgenommen.

Ich glaubte während der Übung, es ginge mir um Authentizität, und meine Abwehr richte sich gegen die mir übergestülpte Übung. Daneben ging es mir aber auch darum, mich selbst für den Mittelpunkt der Welt zu halten, und zu glauben, daß immer alles so ablaufen müsse, wie ich mir das vorstelle.

Meine Erkenntnis daraus: ich kann doch eine Übung mitmachen, die mir nicht gefällt, und trotzdem dabei authentisch sein, z.B. indem ich ganz bewußt schauspielere und eine Rolle spiele oder auch, indem ich mal nachspüre, wie weit ich mich doch einlassen kann, wann genau die Grenze überschritten wird, bei der ich mich nur noch unecht fühle.

Meine extreme Abgrenzung und Wut entsteht, wenn ich mich hilflos einer Situation ausgeliefert fühle, die mir nicht gefällt. Das ist ein Schritt weiter, als mich dann nur zu verkriechen, es ist offensiv auf andere zu – aber eben negativ offensiv.

Dabei ist doch völlig klar, daß ich mich manchmal auch anpassen muß, insbesondere, wenn ich mit anderen Menschen zu tun habe - es sei denn, ich will unbedingt alles alleine machen.

Meine Lernaufgabe ist hier wohl, dann einen Kontakt zu suchen, der nicht nur schwarz oder weiß ist. Klar zu sagen, wie ich mich fühle oder was mir nicht gefällt, dafür auch die notwendige Aufmerksamkeit einzufordern, und dann aber zusammen eine gemeinsame Lösung zu finden.

Das war in dieser Übung nun nicht möglich, es sei denn, wir hätten die Aufgabe einfach aufgelöst, losgelassen und anders fortgesetzt – manchmal passiert das in einer Partnerübung, aber in diesem Falle nicht. Die Rollen blieben starr wie vorgegeben. Ich kann mit den Themen Abgrenzung und Wut noch nicht so flexibel und spielerisch umgehen wie mit anderen Themen.

Der Zusammenhang zu meiner Arbeitssituation wurde schnell klar. Ich verhalte mich da gerade wie ein trotziges Kind, das nicht mehr im Mittelpunkt steht und unbedingt Beachtung finden möchte. So suchte ich zuletzt immer noch ein Haar in der Suppe, was ich kritisieren kann, bis ich schließlich keine Antwort mehr auf meine Beschwerden bekam. Ich habe zuletzt wieder etwas übertrieben und Mängel benannt, die für andere gar kein Thema sind. Schon nicht ganz unberechtigt, aber zu pingelig. Und im Grunde wegen einem empfundenen Defizit an Aufmerksamkeit für meine Bedürfnisse.

Schön, daß ich das jetzt so klar sehe. Ich werde also weiter daran arbeiten, angemessen mit den kritischen Bürosituationen umzugehen, nicht schwarz und nicht weiß, sondern flexibel. Wenn ich etwas wirklich ausprobiert habe und es mir dann immer noch nicht gefällt, kann ich natürlich auch entscheiden rauszugehen aus der Situation, nein zu sagen. Aber Rückzug und Alleinsein kenne ich schon so gut. Wird Zeit, mal was neues auszuprobieren, mit mehr Kontakt auch im Konflikt und im Widerspruch.

2 Kommentare:

  1. Woow sehr interessant ;) Danke fürs mit-teilen ;)
    Bei den Übungen wär ich auch auf Widerstand gebürstet, weil ich solche Ausgrenzungssachen zu gut kenne und dann nich mehr unterscheiden kann, dass das jetzt nur ein Spiel/Übung is...
    Schönes Wochenende Dir ;)

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  2. Gerne! Am Anfang schrieb ich hier ja streng nur für mich, zur Selbst-Entwicklung, aber unterdessen denke ich manchmal auch an meine Leser(innen). Schön, wenn Du was damit anfangen kannst.

    Das Spannende an diesen Übungen ist, daß man dabei spielerisch an seine Grenzen gelangen und diese auch verändern kann.

    Die Kopfkontrolle ist bei diesem körperbetonten Zugang etwas heruntergefahren. So kann man nicht so leicht um seine Probleme herumreden, sondern wird direkter damit konfrontiert.

    Trotzdem wünsche ich mir, öfter mal einfach nur frei zu tanzen, ohne irgendwelche Vorgaben, vielleicht fehlt mir da noch ein anderes Angebot.

    Dir auch ein schönes Wochenende!

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