Samstag, 13. November 2010

vegetarischer Ernährungsversuch

Vor einigen Monaten hatte ich entschieden, mich mal versuchsweise vegetarisch zu ernähren. Darüber wollte ich schon länger mal was schreiben. Heute gibt es ja schon eine größere vegetarische Minderheit als in meiner Jugend. Ein Mitschüler, der die Pizza beim Klassenfest nur ohne Wurst wollte, war da noch ein Exot. Leider gibt es heute immer noch kein flächendeckendes vegetarisches Angebot, wenn man sich außer Haus ernähren muß.

Ich habe es einige Wochen lang nicht zu 100%, aber doch recht konsequent durchgeführt. Dabei habe ich sämtliche Imbisse in der Umgebung meines Arbeitsplatzes auf das verfügbare fleischlose Essen getestet. Ich stellte fest, daß es zwar meistens irgendetwas zu essen gibt, aber weder bewußt als vegetarische Küche gedacht, noch vollwertig oder gar biologisch. Was ist beispielsweise an Weißmehl-Nudeln mit irgendeiner Soße gesund? Ich habe noch nie kapiert, warum Pasta immer gemüsefrei serviert wird, von dem bißchen Tomatenpüree vielleicht abgesehen.

Auf Käse und Ei wollte ich bei meinem Test sowieso nicht verzichten, sonst wären die Möglichkeiten noch eingeschränkter gewesen. Es gibt dort kaum Gerichte, in denen sichtbar viel frisches Gemüse verarbeitet ist, von asiatischer Küche vielleicht mal abgesehen. Meist gibt es leere Kohlenhydrate (Nudeln, Pommes, weißer Reis) und viel Fleisch. Am besten schmeckten mir noch die selbstgekocht aussehenden Suppen eines Anbieters, die ich aber nicht jeden Tag essen möchte. Alle in Frage kommenden Gerichte waren eiweißarm.

Ich versuchte mit Soja-Milch zum Müsli morgens und Tofu oder einem Linsengericht am Abend gegenzusteuern – aber ich esse nicht jeden Tag Müsli, sondern oft nur Brote, wenn es schnell gehen muß, und abends kann ich auch nur selten kochen.

Wenn ich am Wochenende unterwegs bin, braucht es eine kalte oder warme Zwischenmahlzeit, die überall zu kaufen ist, und die praktisch ist, um sie beispielsweise auch im Auto zu essen. Immer nur Käsebrote war mir schnell zu langweilig, und mit vegetarischen Gemüseaufstrichen konnte ich mich bisher leider nicht anfreunden, die schmecken mir nicht. Außerdem gibts die nirgends unterwegs zu kaufen, da bleibt es oft bei fettigem Zeugs von der Tankstelle oder einem Backshop.

Mit Vollzeitberufstätigkeit und meinem in der Freizeit häufig pendelndem Leben ist das schwierig mit gesunder Ernährung. Nach einiger Zeit merkte ich, daß ich Heißhunger auf Eiweiß bekam und sogar Tofu – den ich früher nie mochte – mit großer Begeisterung aß. Es gibt da heutzutage tolle Fertigprodukte. Trotzdem fehlte mir was. Ich fing dann wieder an, sporadisch Wurstaufschnitt zu essen.

Unterdessen wähle ich während der Arbeitswoche wieder öfters fleischhaltige Gerichte, weil die insgesamt einfach mehr Nährstoffe zu haben scheinen. Am Wochenende, sofern ich zu Hause bin, gibt es meist vegetarische Kost, ich liebe Gemüse.

Ich frage mich, ob es einen Zusammenhang zwischen meinen häufiger aggressiven und wütenden Gefühlen am neuen Arbeitsplatz und dem wieder erhöhten Fleischkonsum gibt. Ich merke mittags einfach, daß ich von Gemüsesuppe alleine nicht satt werde, daß ich was Festes brauche. Genügsam Rohkost kauen könnte ich vermutlich nur, wenn ich seelisch völlig ausgeglichen wäre.

Fleischkonsum ist nicht friedlich. Ich habe vor kurzem mehrere Dokumentationen zu Mißständen in der Massentierhaltung gesehen. Alles eigentlich nichts neues für mich, aber doch sehr schockierend. Alleine zu sehen, wie Tausende kleiner noch lebenslustiger Küken wie Ware auf Förderbändern transportiert werden, der „Ausschuß“ wird dabei aussortiert (die sicherlich folgende Tötung wurde nicht gezeigt). Dann werden sie verpackt und verschickt, um ein freudloses Leben ohne Sonnenlicht, natürliche Umgebung und natürliche Sozialkontakte vollindustriell in einer Blechhalle zu fristen. Nennt sich dann Bodenhaltung. Gruselig. Bei Bio-Massentierhaltung ist es gar nicht so sehr viel besser. Das macht nicht nur den Hühnerfleischkonsum, sondern auch den Eierkonsum fragwürdig.

Und dann die ganzen Argumente des Umweltverbrauchs: der amazonische Regenwald wird großflächig abgeholzt für Soja-Plantagen, die dann das genmanipulierte Futter für unser Rindvieh und unsere Schweine liefern. Von der Getreidemenge, die ein Rind für eine Fleischportion verzehrt, können 7 Getreidemahlzeiten hergestellt werden, also Verschwendung von knappen Ressourcen und Luxus.

Die Meere sind auch weitgehend leergefischt, die Aqua-Farmen produzieren große Umweltprobleme und entlasten die Fischpopulationen nicht, weil Fischmehl zur Aufzucht gebraucht wird. Die Fischerei in Europa soll vollkommen industrialisiert werden, kleine Fischerboote werden von der EU verboten, nur noch die riesengroßen Schiffe erlaubt, die alles kaputtfischen und dabei noch den Meeresboden zerstören.

Die Nahrungsmittelindustrie ist unglaublich pervertiert, das fängt leider bei der Tierhaltung oder auch Gemüsezucht schon an, setzt sich über extrem ungesunde Zusatzstoffe und fragwürdige Verarbeitung fort - und das scheint sich in den letzten Jahren noch massiv zu beschleunigen.

Ja, eigentlich sprechen Herz und Seele für eine möglichst vegetarische und möglichst unverarbeitete Ernährung. Nur die Umsetzung ist so schwierig. Immerhin hatte ich seit Monaten kein Stück Fleisch mehr in meinem Kühlschrank, nur Wurst, es geht nicht mehr so blutig zu beim Kochen. (Die Weihnachtsgans wird es aus Tradition trotzdem geben, auch wenn es mir immer schwerer fällt, so ein totes Tier zu handhaben.)

Ein anderer Aspekt: ein naturnahes Leben in Mitteleuropa beinhaltete nach meiner Vermutung neben Getreide, Gemüse und Obst auch Fleisch aus den Wäldern. Soja kommt hier nicht natürlich vor, auch Reis nicht. Wildkräuter und wilde Beeren können den Speiseplan ergänzen. Je weiter man nach Norden kommt (und ich stamme ja halb aus dem hohen Norden), desto größer der Fleischanteil, weil einfach nicht genug Grünes wächst in der kurzen Vegetationsperiode. Aber die Tiere durften wenigstens frei leben, bevor sie getötet wurden, und alle Jägerkulturen hatten Bräuche, die toten Tiere zu ehren, bevor sie geschlachtet wurden.

Ich werde vorerst nicht ganz auf Fleisch und Fisch verzichten, versuche es aber zu begrenzen und Alternativen auszuprobieren. Mehr Hülsenfrüchte wäre gut.

4 Kommentare:

  1. Du machst Dir Gedanken über Deine Ernährung, das ist doch schon mal der Weg in die richtige Richtung. Und Dein abschließender Satz spricht doch auf für sich......

    Herzliche Grüße,
    Karin

    AntwortenLöschen
  2. ich habe das auch schon mal alles probiert. Und es stimmt, wenn man im Berufsleben steht und darauf angewiesen ist, unterwegs zu essen, dann geht fast gar nix mehr. überall nur fleisch und ungesundes essen. also das sind meine erfahrungen.

    und die vorstellung von den armen tieren.....
    warscheinlich sind wir in einer maschinerie, wo es schwer ist raus zu kommen.

    AntwortenLöschen
  3. Liebe Karin,

    auch Dir ein herzliches Willkommen! Ich habe seit meiner Jugend viel mit meiner Ernährung experimentiert, weil ich Probleme mit Übergewicht habe und zeitweise stark allergisch auf viele Lebensmittel reagierte - leider auch auf gesunde Lebensmittel wie bestimmte Obst- und Kräutersorten.

    Ich glaube daran, daß sich mein Körper auf ein Wohlfühlgewicht einstellen würde, wenn ich irgendwann die mir gemäße Ernährung gefunden haben sollte...

    Du hast einige interessant klingende Rezepte in Deinem Blog. Werde ich vielleicht mal was ausprobieren.

    Danke und Gruß,
    Louise

    AntwortenLöschen
  4. Liebe Sania,

    ja, wir sind in einer Maschinerie, nur einen kleinen Teil davon können wir beeinflussen (aber das sollten wir mit ganzem Herzen tun). Es ist so sehr schwer, langjährige Gewohnheiten zu ändern, und gerade Nahrungsgewohnheiten werden ja in der frühen Kindheit schon angelegt.

    Theoretisch ginge es schon: ein Kollege kocht jeden Morgen Reis mit Gemüse und ißt das mittags lauwarm bzw. kalt. Das ist mir zu spartanisch, etwas mehr Abwechslung möchte ich schon gerne genießen...

    Aber Du bringst mich auf die Idee, daß ich die Firmen-Mikrowelle mal nutzen könnte, wenn ich am Vorabend zu Hause koche. Die Cafeteria im neuen Gebäude ist tatsächlich mit einem ganz netten Ausblick versehen, das ist eine Verbesserung zu vorher. Dort könnte ich mir ab und zu was aufwärmen, das werde ich mal ausprobieren.

    Liebe Grüße,
    Louise

    AntwortenLöschen