Montag, 30. November 2009

Handeln oder Loslassen?

Heute bin ich mit schlechter Laune aufgewacht. Aber immerhin bin ich einigermaßen zeitig aus dem Bett gekommen und habe auch 20 min. Yoga gemacht. Auf der Fahrt zur Arbeit habe ich wieder in "Reines Sein" gelesen. Einen kleinen Zugang habe ich ja unterdessen gefunden, aber insgesamt ist dieses Buch für mich immer noch eine einzige Zumutung.

"Es gibt keinen Handelnden". Das ist eine hochrangige Zumutung. Es gibt also gar nichts, was ich tun kann, weil es erstens kein ICH gibt, und weil sich zweitens alles von alleine tut. Ich glaube, die moderne Wissenschaft nähert sich einer solchen Sichtweise (ich verfolge so etwas nicht, aber manchmal habe ich doch irgendeinen Artikel gelesen): die Entscheidungen werden unbewußt getroffen, und nachher denkt man darüber nach und bildet sich ein, die Entscheidung bewußt getroffen zu haben. Der, der denkt, ist das Verstandes-Ich, das es sowieso nicht gibt. Soweit war ich ja schon seit einigen Wochen.

Mein Gehirn ist aber seit über 40 Jahren falsch konditioniert worden, und deshalb kapiere ich diese neuartigen Gedankengänge nicht. Ich mußte in den letzten Tagen öfter an eine Science-Fiction-Kurzgeschichte denken, die ich als Kind gelesen habe. Ich erinnere mich nur an ein zentrales Motiv dieser Kurzgeschichte: ein kleines Kind findet ein technisches Spielgerät, eine Art Denksportaufgabe, einer außerirdischen Zivilisation. Durch das Ausprobieren und langwierige Lösen dieser Aufgabe wird das Kind "nicht-euklidisch" konditioniert, es lernt eine andere Geometrie und eine ganz andere Denkweise kennen, die nicht der menschlichen entspricht. Die Eltern dieses Kindes kapieren gar nichts, sie können mit diesem Spielgerät nichts anfangen, denn sie sind zu sehr in ihren Konditionierungen verhaftet. Am Ende findet das Kind einen Zugang zu der außerirdischen Zivilisation, wenn ich das richtig erinnere.

Ich komme mir vor wie diese Eltern, die es nicht schaffen, ihr Gehirn noch umzuprogrammieren. Andererseits beschleicht mich manchmal der Gedanke, daß in "Reines Sein" viele komplizierte Worte um etwas gemacht werden, das eigentlich viel einfacher ist. Vielleicht komme ich der Sache, um die es geht, nämlich dem SEIN, viel näher, wenn ich dieses Buch einfach zuklappe und beiseitelege, und mal ein paar Wochen einfach LEBE und mich auf meinen Alltag konzentriere.

"Wie kann das, was sich von selbst einstellt, erreicht werden? Nur indem aufgeräumt und gewartet wird – gelassen, gleichmütig und ohne Gier und Leidenschaftlichkeit." (S. 282)

Das könnte ich ja mal als Handlungsanleitung nehmen, auch wenn es angeblich keinen Handelnden gibt. Ich könnte mich in meiner wenigen Freizeit in den nächsten Wochen einfach auf die Entrümpelung meines Hauses konzentrieren. Das ist sowieso ein ernster innerer Auftrag an mich seit meiner Visionssuche im Sommer. Und ich hatte kürzlich auch nochmal einen Traum, in dem es eindeutig um die dringend notwendige Entrümpelung ging.

Ich habe mit der Entrümpelung vor einigen Wochen auch schon begonnen. Das Loslassen fällt mir sehr schwer, es ist schmerzhaft. Aber es ist dringend notwendig, denn ich ersticke in meinem in Jahrzehnten aufgehäuften Krempel. Jede kleine Insel in meinem Haus, die schon ein wenig aufgeräumter aussieht, atmet eine andere Energie, schenkt ein wenig mehr Klarheit. Dort weiterzuarbeiten, ist vielleicht lohnender als den Kopf mit Gedankengängen zu quälen, für die er nicht reif ist.

Vor dem Fenster hängt eine Blaumeise in der Birke und knabbert an den Fruchtständen. Tiere haben es gut, sie müssen sich nicht so viele Gedanken machen.

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