Donnerstag, 10. März 2011

SCHMERZ

Ich bin in einer furchtbaren Verfassung heute morgen. Voller Schmerz, nahezu unerträglich. Zunächst die Erkältung, deren Symptome immer noch stärker werden. Dann aber auch der seelische Schmerz. Ich leide so sehr unter dem entfremdeten Leben, das ich führe.

Ich hätte gerne zwei Jahrhunderte früher gelebt, vielleicht war es damals besser.

Es gab 3 Jahre in meiner Kindheit, in denen ich jederzeit raus in den Wald gehen konnte, um auf Bäume zu klettern, Beeren zu sammeln, den Wind zu spüren, im wilden Flußarm zu baden. Danach zogen wir um in ein mehr städtisches Umfeld. Ich habe den Wald so sehr vermißt. Den Schmerz spüre ich ja noch heute...

Dabei habe ich hier einen relativ naturnahen Wald vor der Tür – nur wenige Kilometer entfernt. Ich habe ihn jahrelang vollständig gemieden, aus falsch verstandener Rücksichtnahme auf mein privates Umfeld. Vor zwei Jahren entdeckte ich ihn neu, voller Glück, mit dem Fahrrad, das ich auch erstmals seit einem Jahrzehnt aus dem Schuppen holte. In dem Jahr war ich auch körperlich sehr aktiv, machte regelmäßig Yoga und im Sommer meine „große Wanderung“ im Norden.

Im letzten Jahr war ich dann wieder sehr wenig im Wald und kaum auf dem Fahrrad, weil da die Krisenvorsorge als Thema für mich anstand und ich nächtelang im Internet und beim Stapeln von Vorräten in meinem Keller verbrachte. Die im Jahr zuvor abgebauten Gewichtskilos waren schnell wieder drauf und die wiedergewonnene körperliche Fitneß verschwand auch wieder.

Es fehlt einfach die Zeit für alles, was mir wichtig ist. Ich kann neben dem Job nur ein oder zwei Schwerpunktthemen setzen, für die ich Zeit aufwende. Der Haushalt kommt dabei immer zu kurz. Für Reparaturen fehlt auch die Zeit, alles verkommt nach und nach. Dabei greife ich eigentlich gerne mal selber zum Pinsel.

Vielleicht war die Aufteilung früher doch nicht so schlecht: der Mann ging arbeiten und die Frau kümmerte sich um Haus und Kinder. So war wenigstens für alles gesorgt. Heute ist für nichts gut gesorgt, alle verausgaben sich mit Doppel-, Dreifach- und Vierfach-Belastungen.

Ich weiß schon, warum ich so viel Angst hatte vor diesem Seminar. Es konfrontiert mich mit meinem Schmerz, und das ist die HÖLLE.

Eben beim etwas lustlosen Frühstück ohne Appetit dachte ich, daß Essen für mich vielleicht als Betäubungsmittel wirkt – als Betäubungsmittel gegen den Schmerz. Es macht oberflächlich zufrieden, satt und träge. Aber es befriedigt den seelischen Hunger nicht, es ist ein Selbstbetrug.

Ich habe es daran gemerkt, daß ich während des Seminars kaum Hunger hatte. Ständig gab es wirklich köstliches vegetarisches Essen, aber ich hätte gar nicht so viel gebraucht. Mir hat das Draußensein, die spannenden Aufgaben und Erfahrungen so viel Freude gemacht, da brauchte es das Essen gar nicht. Ich habe trotzdem viel gegessen (aber auch nicht mehr als die anderen, ich esse gar nicht so viel und nehme trotzdem ständig zu), weil es einfach so lecker schmeckte und ich sonst nicht so köstliches Essen bekomme, das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Aber gebraucht hätte ich höchstens die Hälfte von dem, was ich da bekam.

Das Schreiben erleichtert mich etwas, merke ich gerade. Mir bleibt wohl nichts übrig, als den brennenden Schmerz zu akzeptieren. Ich sehe ja immerhin eine Perspektive, wie ich da rauskommen könnte, der Handlungsimpuls ist da. Mehr Bewegung, mehr Naturkontakt, weniger Essen. Aber ich sehe leider immer noch keine Lösung für mein Hauptproblem: ich habe viel, viel, viel zu wenig Zeit für das Wesentliche!!!!!! Und ich verschwende viel, viel, viel zu viel Zeit für absolut Unwesentliches, für Schrott, Müll, Mist (nämlich meinen Job, der nur zum Geldverdienen gut ist, für sonst fast nichts)!!!!!!

Kann ich JA sagen zu dem Schmerz, der mich fast zerreißt?

Schmerz ist immerhin besser als gar keine Gefühle, als Gefühlskälte.

Ich probiere es mal. JA, ich fühle mich beschissen! JA, es tut scheißweh! JAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJA!!!!!!!

Jetzt mußte ich doch glatt ein wenig schmunzeln. ;-) Vielleicht ist es ja nur das NEIN, das wehtut, weil es Reibung verursacht? Vielleicht wird der Schmerz erträglich, wenn ich JA sage.

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