Montag, 29. März 2010

schlechtes Gewissen

Ich fühle mich nicht gut heute abend. Zunächst mal habe ich heute den gesamten Arbeitstag versemmelt, indem ich spirituelle Texte (und Texte zur Finanzkrise) im Internet gelesen habe. Dabei waren die letzten zwei Arbeitswochen sehr gut, es geht also offenbar wieder. Nach Dienstschluß hatte ich ein schlechtes Gewissen.

Dann im Meditationskurs war ich innerlich relativ unruhig, einige Gedankenketten klebten und wollten nicht gehen. Immerhin war eine dabei, die mich herzhaft zum Lachen brachte, als ich im Anschluß an die Übung darüber sprach. Es war eine Erinnerung an eine aus heutiger Sicht groteske Situation mit meinem ersten Freund. Diese Liebesbeziehung sieht aus heutiger Warte wie ein Rollenspiel aus. Das Lachen löste die Schamgefühle in nichts auf, die die Erinnerung zunächst bei mir ausgelöst hatte.

Meine Erfahrungen in der Meditationsgruppe sind immer völlig anders als die Erfahrungen, wenn ich alleine bin. Mir scheint, ich gelange in der Gruppe weniger tief in die Stille, es gibt weniger angenehme Erfahrungen und mehr unangenehme. Es kann natürlich sein, daß die Gruppe bei mir ein Aufsteigen von Gedanken/Gefühlen befördert, denen ich sonst vielleicht ausweiche. Aber heute dachte ich erstmals, daß es auch ein Zeichen dafür sein könnte, daß die Gruppe für mich gar nicht unterstützend wirkt, und daß ich alleine tatsächlich weiter gelange. Dennoch werde ich mich wohl auch zum Folgekurs anmelden, mein Eindruck könnte ja falsch sein.

Erst ein Hinweis der Kursleiterin machte mir bewußt, daß heute der erste Frühlingsvollmond ist, der Widder-Vollmond, nach dem sich ja auch Ostern ausrichtet. In spiritueller Hinsicht sei das der Zeitpunkt, vorher einen Rückblick auf das vergangene Jahr zu halten und den Samen für das kommende Jahr in die Erde zu bringen. Witzig, daß ich mich gestern im Zusammenhang mit meiner Entrümpelungsaktion sowohl mit einem Rückblick auf das vergangene Jahr als auch mit einem Ausblick auf das kommende Jahr befaßt habe. Das war anscheinend kein Zufall. Vielleicht wirkt sich das Loslassen von Ballast ja positiv auf mein kommendes Jahr aus. Ob es an der Vollmond-Energie lag, daß ich heute nicht arbeiten mochte?

Der Vollmond soll besonders geeignet sein, um den Geist zur Ruhe zu bringen (während Neumond gut geeignet sein soll, um tief innen zum Selbst zu finden). Na, bei mir ist heute eher Unruhe, aber das kann sich ja noch ändern.

Gestern hatte ich Einsamkeitsgefühle, die sich nach dem Ansehen einiger Satsang-Mitschnitte – die einen tiefen Frieden ausstrahlten – auflösten. Ich werde nachher noch etwas lesen, das bringt mich vielleicht zur Ruhe zurück. Falls das nicht wirkt, probiere ich es erneut mit www.jetzt-tv.net.

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Wie frei oder unfrei bin ich? Wer entscheidet, ob ich arbeite oder nicht? Ich weiß es nicht. Aber von meinem Gefühl her war es vormittags stimmig, daß ich mir nach den vergangenen zwei guten Wochen eine kleine Pause gönnte und etwas für mich nützliches tat. Am Nachmittag war es aber nicht mehr stimmig, da hätte ich meine Aufmerksamkeit auf das keimende schlechte Gewissen lenken müssen.

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Ja, vielleicht ist es das, was meine heutige Arbeitserfahrung mich lehren will: es kann im Einklang mit meinem Gewissen stehen, am Arbeitsplatz meinen "privaten" Interessen nachzugehen. Es kann aber genausogut im Widerspruch dazu stehen. Der erste Impuls heute morgen war freudig. Ich glaube, ich war da noch im Einklang mit mir selbst, auch wenn es bereits gegen die gesellschaftliche Moral verstieß. Wozu verpflichtet mich mein Arbeitsvertrag? Zu körperlicher Anwesenheit? Zu inhaltlich voller Konzentration? Zu 100% Arbeitsleistung, oder reichen auch 80%, wenn diese überdurchschnittlich sind? Geht es nur um das Ergebnis, unabhängig von der dafür aufgewandten Zeit? Als Arbeitnehmerin verkaufe ich meine Zeit und meine Kraft, aber was ich konkret zu leisten habe, ist eher diffus. Natürlich verstößt das Surfen im Internet gegen dienstliche Regeln. Trotzdem war es für mich stimmig, das heute zu tun.

Jedenfalls zunächst. Im Verlauf des Tages kippte es, ich hätte zur Arbeitsleistung übergehen müssen. Den Impuls dazu habe ich überhört, überfühlt und verdrängt. Das mache ich vermutlich oft: ich übergehe die Stimme des Gewissens. Ich mache mich selbst mundtot. Da fehlt es mir bisher offenbar an Achtsamkeit.

Wenn ich mehr Aufmerksamkeit auf das schlechte Gewissen gelenkt hätte, denn den Freiheitsgrad habe ich zumindest, hätte sich mutmaßlich auch mein Verhalten geändert. Die Lehre dieses Tages scheint mir zu sein: ich muß die ganze Zeit achtsam sein, um die Stimme des Gewissens nicht zu überhören. Ich habe mich einlullen und forttreiben lassen von der ablenkenden Wirkung des Lesens. Es gibt gewiß eine Rückkopplung von der Aufmerksamkeit zum Verhalten und zurück. Sonst wäre das Reden über einen freien Willen ja vollständig sinnlos, so ist es nur teilweise sinnlos. Meine Verantwortung ist: aufmerksam zu bleiben, bei mir selbst zu sein. Das ist mir heute nur teilweise gelungen. Ich reagiere teilweise schon auf den Impuls des Gewissens, aber ich bin träge, merke Veränderungen zu spät.

Ich spüre jetzt wieder inneren Frieden. :-) Vielleicht spricht das dafür, daß ich meine heutige Lektion gelernt habe.

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