Sonntag, 14. März 2010

Todesangst / Kinderwunsch

Das Wochenende ist mir immer sehr kostbar. Das ist einer der wenigen Zeiträume, in denen ich ganz nach meinem eigenen Rhythmus leben kann - abgesehen von einigen (selbstgemachten) Verpflichtungen, die ich auch dann zu erfüllen habe. Mir ist das Wochenende immer zu kurz.

Heute nachmittag befiel mich eine tiefe Schwermut, weil ich morgen wieder in den ungeliebten Arbeitsalltag muß. Mehrere Stunden kaute ich daran herum, ließ ungerechtfertigte Aggression an meiner Lebensgefährtin aus und drückte mich zunächst davor, genauer hinzuschauen, was die Schwermut mir sagen will. Erst als ich wieder alleine war, konnte ich mich näher darauf einlassen.

Ich bin frustriert, weil ich die freie Zeit nicht voll und ganz nach meinem eigenen Willen gestalten konnte. Vieles, was ich gerne gemacht hätte, ist unter den Tisch gefallen. Das scheint mir ein Fall zu sein, in der sich meine Lebenskraft gegen mich selbst gewendet hat. Die Kraft, die sich ausdrücken wollte, wurde nur teilweise ausgedrückt, zurück bleibt ein Energiestau.

Ich fühle mich eingeengt, eingezwängt – und weiß dabei, daß ich das selber verursache.

Es hat etwas mit meiner Angst vor dem Tod zu tun, das ist mir klargeworden. Ich habe Angst davor zu sterben, bevor ich richtig gelebt habe. Das ist wohl auch der Grund, warum ich abends immer sehr spät ins Bett komme: ich mag nicht schlafen gehen, solange der Tag so unerfüllt erscheint. Wenn der Tag nicht richtig gelebt wurde, kommt die Nacht zu früh.

Ich halte etwas zurück, ich lebe nicht voll, ich bin zu kontrolliert, ich riskiere zu wenig. Dazu paßt auch mein Übergewicht. Ich halte alles fest, ich lasse zu wenig los. Wenn ich ganz allein bin und viel freie Zeit habe, kann ich unterdessen ganz gut mit meiner Lebenskraft mitfließen, aber sobald irgendwelche Regeln, Verpflichtungen ins Spiel kommen, bin ich blockiert. Ich bin immer noch zu sehr das brave Mädchen, das ihre Rollen weiterspielt.

Ich verausgabe mich damit, die Power zurückzuhalten, die durch mich hindurchfließen will. Kein Wunder, daß ich dann erschöpft bin und auch noch depressiv werde.

Die Angst vor dem Tod lähmt mich. Dabei könnte sie doch der allerbeste Motivationsfaktor sein, endlich alle Regeln und Normen über Bord zu werfen, um frei zu sein. Vorhin kam kurzzeitig tiefe Verzweiflung auf. Jetzt, während ich schreibe, bin ich wieder sehr nüchtern. Stelle ich mich nicht richtig, oder bin ich durch die Todesangst schon wieder durch?

Ich fühle mich jetzt etwas erleichtert, also war es für heute wohl genug Auseinandersetzung. Aber vielleicht muß ich nochmal so richtig „sterben“. Ein Ritual könnte helfen, z.B. die Karfreitagsliturgie.

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Nachdem ich noch ein wenig in anderen Blogs gelesen habe, bin ich wieder im Frieden mit mir. Schön, dann will ich mal sehen, daß ich heute nicht so spät ins Bett komme, damit die Arbeitswoche nicht gleich wieder mit Hektik anfängt.

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Nein, ich kann noch nicht schließen, gerade merke ich, daß mir noch etwas auf dem Herzen liegt. Als ich vor zwei Tagen über einen Traum schrieb, in dem es um meine Exkremente ging, dachte ich, daß ich gewiß weniger Schamgefühle dabei hätte, wenn ich Kinder großgezogen hätte. Dann wäre ich einfach mehr mit dieser Seite des Lebens konfrontiert gewesen. Nun, ich werde in einem Monat 44 Jahre alt, und ich werde in diesem Leben keine Kinder bekommen.

Und das tut weh, das tut verdammt weh. Ich wollte immer Kinder haben – zumindest glaubte ich, daß ich das wollte. Aber warum habe ich mich dann in eine Frau verliebt, und warum empfinde ich es als völlig richtig, daß ich immer noch mit ihr zusammen bin? Ich liebe sie.

Heute habe ich etwas bei Samarpan gelesen, das genau zu diesem Kinderwunsch-Problem paßt (das gewiß viele Frauen meiner Generation haben: wir sind ja diejenigen, die „zu wenig“ Kinder bekommen haben und dafür auch noch angefeindet werden). In „Stille – Gespräche mit Samarpan“ sagt er zu einer Frau, die auch mit Mitte 40 ihren Kinderwunsch nicht realisert hat:

„In diesem Leben geht es darum, Dich selbst zu gebären. Dazu ist dieses Leben da. Dafür bist du in diesen Körper gekommen.“

Mich berührt das zutiefst. Es hat irgendeinen Sinn, daß ich nicht den normalen Weg gegangen bin mit Mann und Kindern. Vermutlich hätte ich in einer solchen Situation noch weniger Zeit für mich selbst gefunden als ohnehin schon. Ich wollte nicht „Nur-Hausfrau“ sein und andere weibliche Leitbilder, an denen ich mich hätte orientieren können, gab es vor 25 Jahren noch kaum. Neben Beruf und Haushalt auch noch eine Familie zu versorgen, hätte mich eindeutig überfordert. Nein, es ist alles richtig so, wie mein Leben verlaufen ist. Es hat mich dahin geführt, wo ich heute stehe.

Ich bin heute unabhängig genug, um mich mit voller Kraft um meine Freiheit zu bemühen, auf dem Weg des Erwachens. Das ist für mich offenkundig wichtiger, als Kinder in die Welt zu setzen.

Kinder dienen u.a. auch dazu, die Angst vor dem Tod zu verdrängen, fällt mir gerade auf. Man möchte etwas von sich selbst zurücklassen, und seien es nur die weitergegebenen Gene. Das ist ein biologischer Auftrag des menschlichen Körpers. Aber für den Fortbestand der Menschheit ist ja ausreichend gesorgt, die Erde ist eher überbevölkert, da bin ich nicht wichtig. Und die Angst vor dem eigenen Tod... der möchte ich mich ja stellen. Dafür bin ich schließlich eine Schamanin! Das ist mein Auftrag in diesem Leben. Und auch wenn ich erst spät dahinfinde – besser spät als nie!

Ich werde Gott/das Selbst um Führung bitten, wie es für mich weitergeht.

Nach einem heftigen Tränenausbruch ist jetzt erneut Frieden da. :-)

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