Freitag, 26. März 2010

Stille

Es ist so klar jetzt, daß das, was ich am meisten gesucht habe in meinem Leben, diese grundlose innere Zufriedenheit ist – dieser Frieden mit mir selbst.

Es vergeht seit Wochen kein Tag mehr, an dem ich nicht zumindest kurz in dieser friedvollen Stille bin. An der Oberfläche ist dabei nicht immer Glück, manchmal ist da immer noch viel Schmerz, aber dann spüre ich dennoch darunter Frieden. Das ist so wundervoll.

Die Unruhe kommt dennoch auch immer wieder auf, es ist immer selbstgemachter Streß vom Gehirn, das kann ich beobachten. Selten, daß der Verstand auch mal zufrieden ist. Und der Verstand flieht auch weiterhin gerne den Moment, das Jetzt, weil er dann nichts mehr zu sagen hat. Aber ich setze mich immer wieder durch und gehe ins Jetzt, mal kürzer, mal länger.

Heute beim Tanzen wurde der Abend für mich gestaltet, das war sehr intensiv, ich hatte dem Kursleiter zuvor einige Stichworte zu meiner aktuellen Situation genannt. Im ersten Teil des Abends ging es um Anspannung, einen starken Willen und das im Ego-Gefängnis eingesperrte Herz. Im Mittelteil ging es um Leere, um Stille. Dann um Kontakt, um Fließen und das Öffnen des Herzens.

Eine Übung fand ich besonders herausfordernd. Jeder stand mit geschlossenen Augen wie eingefroren an seinem Platz, nur einer durfte sich umschauen und frei bewegen. Dieser berührte dann nach einiger Zeit einen der anderen, erfror selber in der Bewegung und der andere war nun frei. Ich empfand beim längeren Warten auf die "Erlösung" eine Mischung aus Ruhen in mir selbst und unruhiger Erwartung. Mir gingen dabei auch einige Gedanken durch den Kopf, vor allem dieser: die Erlösung kommt wie eine Gnade von außen oder auch nicht. Ich kann dafür gar nichts tun, und ich weiß auch nicht, wann es mich trifft. Ich konnte ja nicht sehen, was im Raum passiert, aber ich konnte manchmal Geräusche hören und die Vibrationen des Bodens oder die Bewegung der Luft spüren, wenn jemand nahe an mir vorbeitanzte. Das fand ich sehr spannend. Ich wurde auch zweimal erlöst und fühlte mich dann sehr frei zwischen den anderen.

Die stille Mittelphase war tatsächlich am schönsten, da habe ich mich frei gefühlt. Ich empfinde Leere nicht mehr als bedrohlich, sondern als angenehm, friedlich, sanft. Der ganze Abend war für mich fließend, harmonisch, stimmig. Und auch die Gruppenenergie war dicht.

Interessant war der Hinweis, daß das eingesperrte Herz wie im Gitterbett, im Laufstall ist. Das paßt zu etwas, das ich heute bei Hermann R. Lehner gelesen habe: das Ego bildet ein zentrales Muster ("Master-Konzept") etwa um das 5. oder 6. Lebensjahr herum. Zuvor ist das Bewußtsein noch frei, danach ist es gebunden. Und bei vielen Menschen soll das ein einzelnes traumatisches Erlebnis sein, das diese primäre Bindung bewirkt (das ist natürlich auch wieder ein Konzept, das nicht zutreffen muß, und laut Enneagramm gibt es im Widerspruch hierzu eine Bindung, mit der man schon auf die Welt kommt).

Bei mir könnte das die Krankenhauserfahrung rund um meinen 4. Geburtstag gewesen sein, meine vermutlich früheste Erinnerung, darauf stoße ich immer mal wieder: ich wachte alleine und verlassen und ans Bett gefesselt auf, mit einem dicken Verband auf dem Bauch, wo ich an Nabelbruch operiert worden war. Ich war völlig hilflos und hatte Todesangst, und ich habe damals vermutlich meinen Körper erstmals verlassen, denn in meinen Erinnerungsbildern sehe ich mich immer von oben.

"Gelernt" habe ich damals: mit mir stimmt irgendwas nicht, ich darf nicht so sein, wie ich bin, irgendwas an mir ist ganz furchtbar falsch. Das hat mich zeitlebens mit tiefen Schamgefühlen erfüllt. Weil diese Erfahrung so früh in meinem Leben war, kann ich mich nicht mehr daran erinnern, wie es mir vorher ging. Ich kann mich nicht an innere Freiheit in früher Kindheit erinnern, es gab immer diese Schamgefühle und diese Enge. Etwas in mir war trotzdem auch frei bzw. suchte die Freiheit, schon als Schulkind habe ich mich gerne alleine in die Natur zurückgezogen. Vielleicht hat mich die außerkörperliche Erfahrung während dieses traumatischen Krankenhausaufenthalts "gerettet".

Das eingesperrte Herz, das ich als Vorlage für den heutigen Tanzabend gezeichnet hatte, spiegelt genau diese Episode. Ich habe mir dieses Erlebnis so oft zurück in Erinnerung gerufen, aber ich werde nochmal richtig tief reingehen und diese Hilflosigkeit, das Verlassensein und den Schmerz tief fühlen – ich verschiebe es aber, da es heute schon so spät ist.

Eien andere Rückmeldung war auch sehr interessant: demnach zeige ich einen sehr starken Willen, nicht nur in meiner Vergangenheit mit Leistungsstreben, sondern auch aktuell auf meinem spirituellen Weg. Letzteres war mir nicht so bewußt, aber es stimmt ganz offensichtlich: ich WILL unbedingt die Erleuchtung! ;-) Das ist mir wichtiger als alles andere, seit ich im letzten Herbst erstmals näher auf diesen Begriff stieß.

Das beste daran: ich bin ja schon da! Nicht das Ego, aber das, was ich wirklich bin. Das Ego wird aufgelöst im wundervollen inneren Frieden. Das gelingt mir immer wieder. Nach meinem Eindruck geht es bei mir nur noch um eine fortlaufende Vertiefung der Erfahrung. Das wird gewiß die Zeit einfach mit sich bringen.

Die Ängste und Selbstzweifel habe ich anscheinend hinter mir gelassen. Ich habe auch nicht mehr die Sorge, daß ich mir nur etwas vormache. Es geht mir gut und ich bin richtig so, wie ich bin. Um nicht mißverstanden zu werden: eine tiefgreifende spirituelle Erleuchtungserfahrung hatte ich bisher nicht, aber das, was einige Autoren mit "Erwachen" bezeichnen, ist mir nicht mehr fremd. Und das ist ja auch nichts besonderes, nur das, was jeder von seinen stillen Momenten kennt. Ich mußte ja nur lernen, die vertraute Erfahrung mit diesen neuen hochtrabenden Worten in Verbindung zu bringen – und eine gewisse Vertiefung der Erfahrung erleben.

Es geht mir wunderbar gut. :-) Ich bin wieder arbeitsfähig, ich habe erfreuliche zwischenmenschliche Kontakte, und ich finde nahezu jederzeit zu mir selbst, wenn es mir einfällt und ich es wirklich will.

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