Donnerstag, 11. März 2010

Haß / Verlassenheit

(Text von heute vormittag)

Meine wichtige Einsicht von gestern abend hängt mir noch nach. Unter der Traurigkeit und der Wut liegt also Selbstabwertung. Heute morgen kam es mir nochmal hoch. Diese Selbstabwertung ist tiefer Haß, Haß auf mich selbst und Haß auf Gott, Haß auf diesen Körper, Haß auf mein Mensch-Sein. Darunter liegen Schuldgefühle. Ich muß wohl ganz böse sein, wenn ich mit diesem Eingesperrtsein bestraft worden bin.

Weiter gelange ich im Moment nicht. Vermutlich deswegen, weil ich diesen Haß noch nicht intensiv genug gespürt habe. Das hole ich später mal nach.

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Ich lese ja immer mehrere Bücher parallel, mein Wissensdurst ist riesig. Heute las ich in „Wege zum Selbst“ von Ken Wilber. Eine Freundin gab mir den Tip, und der war klasse. Nun erhalte ich noch einen umfassenderen Einblick in die Zusammenhänge.

Es gibt mehrere Ebenen in der Entwicklung des Bewußtseins: in der (vom Selbst) entferntesten Ebene steht die Persona getrennt vom Schatten. Integration des Schattens führt zu einem ganzen Ich, das keine Seelenanteile mehr verdrängen oder auf andere projizieren muß.

In der nächsten Ebene steht das Ich getrennt vom Körper. Die Wiedervereinigung mit dem Körper, Akzeptanz seiner unbewußten und bewußten Antriebe führt zum Kentauren (den Begriff kannte ich in diesem Zusammenhang bisher nicht: der Kentaur ist ja in der Mythologie die Verschmelzung von Mensch und Tier/Pferd). Der Mensch ist nun ganz Körper, Geist und Seele, nichts ist abgespalten, er bildet eine harmonische Einheit. Auf dieser Ebene habe ich offenkundig noch erheblichen Nachholbedarf, darum will ich mich kümmern (die Tanz-Therapie ist hier angesiedelt, ebenso Hatha-Yoga, das ich wieder konsequenter üben will).

Danach kommt die transpersonale Ebene. Zunächst die Disidentifikation von Körper, Gefühlen, Gedanken hin zum transpersonalen Zeugen, dem Beobachter. Und wenn das lange genug eingeübt wurde (ich übe seit Herbst 2009) und die göttliche Gnade es so vorsieht, dann gelangt man zum All-Einheits-Bewußtsein, der unio mystica, der bewußten Verschmelzung mit dem allumfassenden Gewahrsein, dem transpersonalen Selbst.

Ostern rückt näher. Das wäre doch ein passender Zeitpunkt für den Tod des individuellen Ich und der Auferstehung als universelles Selbst. Vielleicht wäre es schön, unter diesem Gesichtspunkt die katholische Osterliturgie mal wieder mitzufeiern, das habe ich seit mehr als 10 Jahren nicht getan.

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Heute habe ich weniger Verspannungen als gewohnt im Schulter-Nacken-Bereich, aber stattdessen habe ich sehr starke Kreuzschmerzen (im unteren Rücken, Lendenwirbelbereich) und mag kaum sitzen, was ich leider den ganzen Tag tun muß.

Wofür stehen diese Kreuzschmerzen? Ich assoziiere mal ein wenig: ich kann nicht gerade und aufrecht stehen, ich bin gebeugt, gedrückt, gedemütigt. Mir wurde das Rückgrat gebrochen. Oder habe ich es mir selber gebrochen? Ich kann nur auf allen Vieren kriechen oder flach am Boden liegen. Ich bin nichts, ich bin ein Staubkorn. „Herr, ich bin nicht würdig, daß Du eingehst unter mein Dach“

Ich tauge nichts, ich bin nichts wert, ich bin ein Stück Dreck. Verstoßen, ausgestoßen, allein und einsam. Niemand liebt mich. Nicht mal ich selbst.

„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“

4 Kommentare:

  1. Ich kann Deinen Schmerz bis zu mir hinüber fühlen. Die Einsamkeit und das Gefühl der letzte Dreck zu sein. Das kenne ich alles, weil es mir genau wie Dir von klein auf eingeimpft wurde. Von Eltern die selber nicht anders gestrickt waren und nicht anders konnten, wenn Du genau hinhörst kannst Du diese Gedanken als die Stimme Deiner Erzieher entlarven. Mir kommt es oft vor wie wenn meine Eltern sich in meinem Kopf eingenistet hätten und mir immer noch einflüstert wie schlecht ich doch bin und wie mühsam und und und. Gestern dachte ich einen Moment lang, was für eine "gestörte" Intelligenz hier am Werk sein muss, die solche Abgründe zulässt und sich auf diese Art durch den menschlichen Körper erfahren will. Aber dann dachte ich, dass ich nur solche Gedanken habe weil es mir nach meiner Auffassung nicht so geht wie ich gerne hätte. Würde es mir gutgehen würde ich diese Schöpfung toll finden und mich freuen dass es sie gibt. Ich bin und bleibe ein Egoist solange ich lebe, das ist mir so klar geworden. Je nachdem wie es MIR geht bewerte ich die Welt solange der Verstand meine Sicht so verfärbt. Dann krieche ich mühsam zurück in mein Herz und kann die Liebe nicht fühlen. Etwas in mir "weiss" das die Liebe die Kraft ist, die alles belebt und dass ich einfach meine Aufmerksamkeit in die "falsche" Egorichtung lenke. Und ich bemühe mich die Liebe zu fühlen, bis ich keine Kraft mehr habe und eine tiefe Resignation hochkommt. Und jedesmal wenn ich einfach aufgebe und kein Bemühen mehr da ist, falle ich einfach so hinein und weiss, alles ist o.k.

    Ich umarme Dich ganz herzlich liebe Louise.

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    „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

    Diesen Satz soll Jesus gesagt haben, als er sterbend am Kreuze hing.

    Aber wie wir alle wissen, ist Jesus niemals von Gott verlassen gewesen, sondern hat sich als Sohn Gottes und im Namen Gottes, der unser aller Vater ist, für uns in Menschengestalt geopfert, auf dass wir auf ewig von unserer Schuld befreit seien!
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    Liebe Luise,

    auch Du BIST NIEMALS verlassen von Gott.
    Vielleicht kannst Du ihn nur im Moment nicht spüren,
    weil Du Dich selbst nicht spüren kannst.

    Die Brücke zu unseren wirklichen Gefühlen gleicht manchmal einem Feuerlauf,
    so dass wir Angst haben, darin zu verbrennen.

    Aber ich sage Dir:
    Gott liebt dich, so wie Du bist.
    ER hat Dich immer geliebt und liebt Dich in Ewigkeit,
    egal was Du tust, egal wie Du bist,
    egal was Du sagst.

    ER liebt dich schon immer und wartet darauf,
    dass Du Dich ihm zuwendest;
    in Deinem eigenen Inneren,
    in Deiner wundervollen, hellen, klaren und unberührten Seele,

    in der auch ER, GOTT, wohnt.

    In Liebe
    Annie

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  3. Liebe Eva,

    es kommt noch schlimmer, heute war bei mir nochmal ein "Drecks-Thema" dran. Aber ich habe die begründete Hoffnung, daß ich bald "durch" bin, jedenfalls für diesen Abschnitt meines Prozesses. Er hat eine selbstreinigende Funktion, habe ich heute festgestellt.

    Ich finde es faszinierend, daß ich nach und nach erahne, daß gar nicht mal so sehr die eigenen Eltern Anteil an dieser inneren Entwicklung haben, sondern daß mir das als Erbanlagen oder Karma oder was auch immer schon mitgegeben wurde. Es ist eine Lernaufgabe, die ich für dieses Leben habe, die ich mir möglicherweise selber gestellt habe. Das Hadern mit dieser Aufgabe (und mit Gott) gehört dazu, nur um letztlich überwunden zu werden.

    Die Gottesferne/Liebesferne produzieren wir selber, ich kenne es auch, daß ich manchmal ganz leicht in den beseligenden inneren Frieden zurückfinde und manchmal überhaupt nicht.

    Danke für Deine liebevolle Begleitung in den letzten Tagen. :-) Das hat mich motiviert, an diesen unangenehmen Themen dranzubleiben. Ich glaube, ich habe es bald geschafft.

    Liebe Grüße,
    Louise

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  4. Liebe Annie,

    willkommen in meinem Blog. :-) Ich habe geschmunzelt, als ich gestern sah, daß Du Dich als regelmäßige Leserin eingetragen hast – denn vor wenigen Tagen habe ich sehr ausgiebig in Deinem Blog gelesen und fühlte mich sehr angesprochen. Ich wußte also gleich, wer Du bist.

    Dein Kommentar haut mich um. Ich lasse mir alle mögliche Kritik gefallen und kann mich selber auch sehr scharf kritisieren, aber wenn Du kommst und mich mitten ins Herz triffst, dann verspüre ich einen (leichten) Widerstand. Ich kann Kritik leichter annehmen als Liebe, das ist wirklich verrückt.

    Und wenn ich mein Herz dann vorsichtig öffne, dann sehe ich, daß Du ein Engel bist, der mir geschickt wurde. Jetzt schon der zweite Engel. :-)

    Herzlichen Dank für Deine einfühlsamen Worte. Ich kann mich ihnen noch nicht ganz öffnen, das zeigt mir, wo ich stehe. Es geht im Leben darum, das Lieben zu lernen, Liebe zu schenken und Liebe anzunehmen, und wer ganz in der Liebe ist, der ist bei Gott. Gott, den wir alle suchen und gleichzeitig fürchten. ;-) Ich zumindest.

    Das Jesus-Zitat habe ich natürlich bewußt verwendet, ich war früher mal streng katholisch. Unterdessen habe ich keine Angst mehr vor Aussagen, die andere als blasphemisch deuten könnten, denn ich habe ich jetzt einen ganz neuen Zugang zur christlichen Religion gefunden. Daß Jesus einmalig für alle Menschen gesühnt hat, glaube ich allerdings nicht mehr.

    Die Gott-Verlassenheit, die Verzweiflung, habe ich kurz vor Weihnachten noch viel stärker gespürt, als ich mich als irreale reine Traum-Projektion wahrnahm, völlig ohne Substanz, nicht existent. Da fühlte ich mich völlig vernichtet. Diese Einsamkeit gehört zum Prozeß dazu. Ich habe den Eindruck, daß ich die Einsamkeit jetzt hinter mir lassen darf.

    Deine Worte berühren mich sehr tief. Ich will mal sehen, ob ich mich weiter dafür und für Gottes Liebe öffnen kann.

    Heute hatte ich nochmals einige heftige Emotionen zu verarbeiten, aber am Ende des Tages steht eine Lösung und eine Erleichterung. Und Deinen Kommentar lese ich nun am späten Abend als Krönung obendrauf.

    Danke!
    Louise

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