Freitag, 29. Januar 2010

Ahnung vom Nichts

Gestern spätabends hatte ich zum ersten Mal eine Ahnung vom Nichts. Ich habe in den letzten Tagen einige Satsang-Protokolle sowie erläuternde Texte von verschiedenen Satsang-Lehrern gelesen (das ist für mich neu, ich war ja noch nie bei einem Satsang). Und gestern traf mich ein Text so, daß es für einen winzigen Augenblick passierte: meine Wahrnehmung stülpte sich um und es gab die Wahrnehmung, daß es ein Ich überhaupt nicht gibt (und auch kein Selbst, sondern nur nichts, Leere). Die Erfahrung war nicht vollständig, es war nur eine erste Ahnung.

Ich habe das so oft gelesen, daß wir nicht das Wahrgenommene, sondern der Wahrnehmende sind. Und gestern habe ich zum ersten Mal ansatzweise erfahren, daß es den Wahrnehmenden gar nicht gibt.

Als ich aus meiner halben Erfahrung zurückkehrte, hatte ich noch ein inneres Bild (das der Verstand dann schnell dazu konstruiert hat): um mich herum der unendliche schwarze leere Weltraum, und darin wie in einer Seifenblase die gewohnte Realität, eine Seifenblase, die jederzeit zerplatzen kann, und dann ist da wirklich gar nichts mehr.

Heute Nacht hatte ich einen Alptraum: ich bin mit meiner Lebensgefährtin in deren Haus in der Küche. Es fließt kein warmes Wasser mehr aus dem Hahn, es kommt kein Tropfen. Ich schaue unter die Spüle, um die Absperrventile zu kontrollieren. Als ich aufsehe, ist der Fußboden in einer Ecke des Raums abgesackt, da ist ein gähnendes schwarzes Loch. Kurz danach gibt der gesamte Fußboden unter uns nach, wir rutschen zwei Meter tief in die Erde. Wir bleiben zwischen den ganzen eingestürzten Möbeln unverletzt, können uns aus dem Loch befreien und sind jetzt außerhalb des Hauses. Von außen sieht alles normal aus, die Fassade ist unberührt. Wir können nicht mehr in das Haus, weil die Eingangstür geschlossen ist und wir den Schlüssel nicht dabei hatten, als es passierte. Eine Gruppe von Menschen kommt und zieht an uns vorbei. Wir machen uns darüber Sorgen, wie wir den Vorfall vertuschen können, so daß es niemand merkt. Wir müssen irgendwie klarkommen ohne Küche. Niemand darf merken, daß dort der Fußboden abgesackt ist. Ich werde von einem Klingeln geweckt.

Ich wachte mit einem Gefühl von Schaudern und Schrecken auf. Der Schrecken sitzt mir jetzt, einige Stunden später, immer noch in den Gliedern. Die Interpretation dieses Traums ist einfach: ich verliere den Boden unter meinen Füßen, ich verliere den Boden meiner Realität. Und obwohl ich schon so viel darüber gelesen habe und es gedanklich auch bereits alles begriffen habe (soweit dies möglich ist), ist es was anderes, wenn man es selber erlebt.

Der Traum paßt zu meinem Erlebnis gestern abend. Ich nähere mich dem schwarzen Loch, dem Nichts. Und niemand darf es bemerken. Vor allem das eigene Ich nicht. Das Ich darf nicht merken, daß es gerade dabei ist verlorenzugehen. Und die anderen Menschen sollen bitte auch nichts merken, von außen soll alles normal aussehen. Im Inneren des Hauses ist zwar gerade etwas zusammengebrochen, aber das will ich doch lieber nicht wahrhaben. Das Ich ist ins Loch gefallen und ist jetzt ausgesperrt, da ist nur noch eine leere Fassade. Auch das Du (meine Lebensgefährtin) ist ins Loch gefallen und ist jetzt ausgesperrt. Das Haus ist leer, mit einem inneren Loch.

Ich fühle mich verloren, es ist furchteinflößend. Da ist nichts, einfach nichts.

Bin ich froh, daß mir diese Erfahrungen häppchenweise über Monate verteilt serviert werden, und nicht in einem einzigen Augenblick konzentriert. Ich mache diese Erfahrung, die andere Menschen plötzlich und in einem Moment machen, schrittweise, immer wieder ein klitzekleiner Baustein mehr. Ich bin dankbar dafür, denn so ist es etwas leichter zu ertragen und zu integrieren. Ich werde mir jetzt einen schönen warmen Kakao zubereiten, den trinke ich in letzter Zeit öfters. Dieses Getränk erinnert an unbeschwerte Kindertage, als es keine Sorgen gab und das Leben einfach glücklich gelebt wurde.

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