Freitag, 22. Januar 2010

Loslassen und Lösung

Gestern abend beim Tanzen gab es wieder einige sehr passende Übungen: u.a. sollten wir „wie gefesselt“ tanzen, und uns dann danach befreien. Am Schluß gab es eine viertelstündige freie Tanzimprovisation völlig ohne Vorgabe. Ich habe sie genutzt, um ganz intensiv zu erleben: „ich werde getanzt“, nicht „ich tanze“. Das war mit schmerzlichen Gefühlen und nur sehr geringen Bewegungen verbunden. Ich tanze sonst meist expressiv und habe mal bewußt ausgehalten, mich nur wenig bewegen zu lassen. Ich habe mich damit auch dem Gruppendruck entzogen, die Gruppenenergie war eher fröhlich und kontaktsuchend, ich war isoliert und nur auf mich bezogen, weil es in der Situation halt so paßte. Danach war ich sehr in mich gekehrt.

In der Abschlußrunde habe ich erstmals darüber gesprochen, daß ich nicht mehr die Freiheit des Ichs sondern die Freiheit vom Ich suche und habe das auch etwas ausgeführt. Die Stimmung der Gruppe wurde daraufhin sehr still und etwas bedrückt. Aber ich durfte so sein, wie ich bin, und das hat gutgetan. Nachher sprach mich eine Frau an, die Ouspensky gelesen hat (habe ich noch nicht, aber die Richtung kenne ich ja), es ergab sich ein kurzes Gespräch. Und eine andere Frau empfahl mir ein Kontaktimprovisations-Seminar, das sich interessant anhört. So ergeben sich unerwartet neue Perspektiven.

Ich habe gestern also sehr bewußt losgelassen: erst mit der Entscheidung, mich von allen Gefühlen zu lösen und später mit dem Ausagieren im Tanz. Ob es damit zu tun hat, daß ich heute zeitweise wieder ganz von diesem glückseligen Grundgefühl erfüllt bin? Es ist keine Euphorie oder Ekstase, es ist ein stilleres Glück, aber es ist umfassend. Es weicht nicht, unabhängig von den Tätigkeiten, die ich ausführe. Es wird auch nicht vom Denken vertrieben, wobei mein Denken heute recht leicht ist. Es fehlen die quälenden sorgenvollen Grübeleien, die ich nur zu gut kenne.

Muß ich nun „mit Gewalt“ dieses gute Gefühl vertreiben? Ich habe nochmal recherchiert und bin dabei auf die Aussage gestoßen, daß man die Glückseligkeit des samadhi in die äußere Welt mitnehmen solle. Mir erscheint das auch plausibel.

Dieses Glücksgefühl ist ein Geschenk, das mir zuteil wurde. Ich glaube, ich darf es nicht abweisen, da war ich gestern auf der falschen Fährte. Ich sollte es aber sinnvoll produktiv nutzen (meine notwendige Arbeit erledigen), und ich sollte auch anderen Menschen etwas davon abgeben. Letzteres tue ich, ich lächele jeden Menschen freundlich an, und es ergeben sich häufiger als sonst spontane, fließende Kontakte.

Mein Gefühl ist wie Verliebtsein, aber es ist noch viel besser. Denn es fehlt die quälende Sehnsucht bei Abwesenheit des Partners. Meine heutige Sehnsucht findet sofortige Erfüllung, denn ich bin ja jederzeit da. Heute ist die Sucherin in mir erneut verschwunden, ich fühle mich bereits angekommen, identisch mit mir selbst. (Die Sucherin wird wohl wiederkommen, das schwankt derzeit je nach Tagesform).

In dieser Woche habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, abends vor dem Einschlafen (schon im Bett liegend) stille gregorianische Musik zu hören und dabei die Versenkung in mich selbst zu üben. Wenn ich dann irgendwann einschlafe, bleibe ich vielleicht stärker in diesem Bewußtsein. Morgens wache ich dann oft gut gelaunt auf (wenn auch immer völlig übermüdet und nach wie vor wenig begeistert von den anstehenden Aufgaben). Seitdem ich (theoretisch) weiß, daß ich jede Nacht in das Selbst zurückfalle, also in den Zustand der Glückseligkeit, hat Schlaf für mich eine ganz neue Qualität. Mit meiner neuen Einschlafmethode versuche ich diese Qualität in den nächsten Tag mitzunehmen.

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