Sonntag, 13. Dezember 2009

Annäherungsversuch an die Wahrheit

Der Schöpfer sieht seine Schöpfung nur durch die Geschöpfe, denn nur für sich allein hat er keine Wahrnehmung seiner selbst. Der Schöpfer hat die Schöpfung gerade dafür geschaffen, um sich selbst darin zu spiegeln, um sich selbst wahrnehmen zu können.

Der Mensch ist so etwas wie ein Wahrnehmungsorgan Gottes. Der Sinn des Lebens jedes Geschöpfes ist die möglichst naturgetreue Wiederspiegelung der Schöpfung.

Das bedeutet: alle Verzerrungen der Wirklichkeit müssen unterbleiben.

Das bedeutet: die ICH-Persönlichkeit des Menschen muß sterben, denn diese führt zu Verzerrungen der Wirklichkeit. Wenn ein Mensch glaubt, die Wirklichkeit durch seine eigene beschränkte Perspektive sehen zu müssen, dann wirft dies einen Schleier auf den Spiegel.

Die Wahrheit kann von einem Menschen mit dessen normalen Sinnesorganen nicht wahrgenommen werden und von seinem Verstand nicht verstanden werden. Die Wahrheit ist jenseits von Zeit und Raum, die Wahrheit kann nur im JETZT (keine Zeitausdehnung) und im HIER (keine Raumausdehnung) intuitiv erfaßt werden.

Der Mensch ist außerdem kein eigenständiges und unabhängiges Wesen. Der Körper (einschließlich der Psyche) eines Menschen ist nur ein materielles Organ. Wahrnehmungsfähigkeit und Empfindungsfähigkeit erlangt der Mensch nur durch Bewußtsein (ohne Bewußtsein gibt es keine Wahrnehmung, entsprechend dem Schlaf). Dieses Bewußtsein ist so etwas wie ein Teil des göttlichen Bewußtseins. Dieses Teil-Bewußtsein identifiziert sich fälschlicherweise mit dem Körper, in dem es eingekapselt ist, solange der Körper lebt. Diese Identifikation ist Entfernung vom Ursprung, ist Leugnung der Wahrheit. Jeder Glauben und jeder Versuch dieses abgekapselten Bewußtseins, eigenständig und unabhängig handeln zu können, ist sozusagen Gotteslästerung.

Das normale Alltags-Ich, das Denk-Ich des Verstands ist so etwas wie der Satan in uns, der uns von Gott wegführt. Bei Gott ist nur, wer ganz am Ursprung ist. Ganz am Ursprung verschwinden Raum und Zeit, die Welt und die Persönlichkeit. Ganz am Ursprung bin ich Gott, ist jeder Mensch Gott, aber jeder Mensch hat sich dann bereits aufgelöst, ist verschwunden.

Wir Menschen existieren nur in Gottes Traum, in Gottes Projektion, nicht in der Wirklichkeit. In Wirklichkeit gibt es nur Gott und nichts sonst.

Die Lebensaufgabe des Menschen in Raum und Zeit ist Gottes-Dienst im eigentlichen Sinne, und das bedeutet, die uns zugedachte Rolle im Traum, im Schauspiel, in der Projektion genau so auszuführen, wie sie uns auf den Leib geschrieben ist, ohne uns dagegen zu erheben, ohne Widerstand zu leisten, mit vollständiger Hingabe. Der freie Willen des Menschen besteht nur darin, JA oder NEIN zu sagen. Das ist alles!

Wir können gar nichts anderes tun. Da wir nicht wirklich sind, sondern nur Rollenspieler eines Traums, können wir gar nichts anderes tun als unsere Rolle auszufüllen. Es ist uns physikalisch unmöglich, davon abzuweichen, wir können uns das allerdings einbilden. In dem Moment, in dem wir uns einbilden, irgendetwas anderes wollen oder gar tun zu können, verleugnen wir die Wahrheit.

Der Zustand der ICH-Persönlichkeit, die sich von Gott getrennt glaubt, ist die Hölle. Es ist die Hölle des Verstandes. Der Weg aus der Hölle zurück in den Himmel führt durch das Fegefeuer. Der mystische WEG aus dem Gefängnis in die Freiheit ist das Fegefeuer. Jedes ICH muß dieses Fegefeuer durchschreiten, bis es sich schließlich darin auflöst, darin verbrennt und verschwindet. In den Himmel gelangt man nur ohne ICH, denn der Himmel ist die Verschmelzung mit Gott. Manche Menschen gehen bei ihrem Tod durch das Fegefeuer, andere tun dies schrittweise bereits zu Lebzeiten. Einige wenige Heilige gelangen zu Lebzeiten bis in den Himmel und kehren daraus in die Hölle zurück, um anderen Menschen zu helfen.

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Das Vorangehende ist das, was ich mir mit meinem beschränkten Menschenverstand in den letzten zwei Tagen versucht habe verständlich zu machen. Statt der für mich sehr abstrakten fernöstlichen Vokabeln wie "Bewußtsein" und "Gewahrsein" etc. habe ich die gewohnten Vokabeln aus meiner christlichen Konditionierung genutzt. Ich kann das tun, weil ich mich von ihrem früheren Bedeutungsinhalt bereits vor langer Zeit gelöst habe. Jetzt kann ich sie mit neuem Inhalt füllen. Diese (vormals christlich geprägten) Worte haben für meinen Geschmack mehr Fleisch als die abstrakten Worte aus dem buddhistischen Raum, sie sprechen stärker zu mir, sie berühren mich mehr.

Nun zu meiner Erfahrung der letzten zwei Tage. Ich muß jetzt leider im Rückblick schreiben, das ist immer weniger authentisch als dann zu schreiben, wenn es einfach so spontan herausfließt. Nach dem letzten Eintrag, an dessen Ende ich zu der Einsicht gelangt war, daß das ICH so etwas wie der Versucher, der Satan in uns ist, war ich für mehrere Stunden in einem Zustand erhöhter Wachheit. Ich sah mich ein wenig wie einen Alien, der auf der Erde gelandet ist, ich war mir fremd. Während ich durch einen menschengefüllte Passage und über einen Weihnachtsmarkt ging, hatte ich immer wieder spontane Tränenausbrüche und ein Gefühl der Erleichterung und des inneren Friedens. Dazwischen hatte ich auch immer wieder eine sehr starke innere Unruhe, ein inneres Brennen und Verlangen, schmerzliche Sehnsucht nach Erkenntnis der Wahrheit und Schmerzen im Brustkorb (durch ein Gefühl der Einengung und der Sehnsucht nach Weitung, nach Öffnung)).

Am Abend las ich dann erstmals in dem Buch "Pointers – Wegweisende Gespräche mit Sri Nisargadatta Maharaj" von Ramesh S. Balsekar (Ramana Maharshi habe ich dagegen nach wenigen Seiten wieder weggelegt, mit Maharaj kann ich derzeit mehr anfangen). Das lenkte meine Gedanken und mein Verständnis noch zusätzlich in die Richtung, in die ich ausgelöst durch "Reines Sein" (Gerd-Lothar Reschke) sowieso schon blickte. Am nächsten Tag hatte ich für kurze Zeit Gelegenheit, alleine einen Spaziergang in kalter Winterluft zu machen. Ich hatte ständig starke Tränenausbrüche, starke religiöse Gefühle, die ich seit sehr vielen Jahren überhaupt nicht mehr kannte, ein Gefühl von Ehrfurcht und Gefühle von tiefer Reue. Es war ein intuitives Erfassen eines Hauchs von Wahrheit (man spürt es, wenn man dicht an der Wahrheit dran ist), gemischt mit den angelesenen Gedanken und meinen eigenen Reflexionen.

An diesem Abend versuchte ich dann, mich einem nahestehenden Menschen verständlich zu machen. Das endete in einer Diskussion, in der ich mich verstrickte, was mich von meiner empfundenen Wahrheit wegführte. Es verdunkelte meinen Blick auf die Wahrheit.

Heute fühlte ich mich wieder weitgehend "normal", im Alltagsbewußtsein der Ich-Persönlichkeit gefangen. Ich unternahm im Dunkeln einen Spaziergang in den Wald in der Hoffnung, wieder näher an die Wahrheit zu gelangen. Auf der Heide war ich erneut tief ergriffen von dem Bewußtsein, einen Auftrag zu haben, einen Sinn für mein Leben zu sehen.

Dieses intuitive Wissen muß ich jetzt dem Verstand irgendwie begreiflich machen, so daß es für mich umsetzbar ist. Meine Aufgabe ist jetzt also, mein ICH zu töten. Bzw. zu erkennen, daß es ein unabhängiges ICH gar nicht gibt. Jegliche Gedankentätigkeit, die mich aus dem Hier und Jetzt und von dem, was tatsächlich ist, wegführt, ist falsch. Richtig ist nur authentisches spontanes Handeln gemäß der inneren Wahrheit, die aus meiner Rolle folgt. Die Rolle jedes Menschen ist eine andere, sie ergibt sich aus "Gottes Drehbuch".

Ich habe bereits akzeptiert, daß ich nicht mein Körper und nicht mein Verstand bin. Ich bin ein Bewußtsein, das mit Gott (oder mit dem Ganzen, der Einheit, dem Geist oder wie auch immer man es nennen will) verbunden ist. Ich sehe mich aber immer noch als getrennt insofern, daß ich mich als Werkzeug Gottes sehe. Ich bin Gottes Augen und Ohren etc. Die nächste Stufe der Wahrnehmung wäre wohl, mich als Gottes Sehen und Hören zu begreifen, aber das ist mir noch zu fern. Ich hänge nicht mehr der Ich-Illusion als solcher an, aber ich bilde mir immer noch ein, einen minimalen Handlungsspielraum zu haben, so wie ein Schauspieler, der zwar seine Rolle spielt, aber innerhalb der Rolle noch improvisieren kann und das Schauspiel so ein wenig verändern kann. Möglicherweise ist auch das eine Illusion, von der ich mich noch befreien muß.

Wie schaffe ich es, als ICH völlig in den Hintergrund zu treten mit dem Ziel, völlig zu verschwinden, um so dem in diesem menschlichen Körper angelegten göttlichen Bewußtseinssamen zu voller Entfaltung zu verhelfen? Ein Rätsel.

Ich fühle mich am heutigen Abend entspannt, gelöst, friedlich. Das Wichtigste ist jetzt, glaube ich, offen zu sein für die Impulse aus meinem Inneren, die von meinem wahren Selbst stammen, das von Gott nicht getrennt ist. Ich muß meinem wahren Selbst dienen, und damit diene ich dem Ganzen.

Bin ich froh, nicht im Mittelalter zu leben, denn damals wäre ich gewiß als Hexe verbrannt worden. ;-)

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