Mittwoch, 30. Dezember 2009

ein glücklicher Tag

Mir geht es heute gut. Ich bin glücklich. Es gibt einen Ausweg aus der Verstandes-Hölle, und ich werde diesen finden. Ich weiß es einfach, daß ich nicht mehr lockerlassen werde. Ich will es jetzt wissen!

Einen Vorgeschmack auf die Freiheit darf ich heute schonmal genießen: tiefe, ruhige Glücksgefühle. Dazwischen schmerzhafte Reue, aber auch die ist willkommen, denn sie löst etwas. Ich empfinde Reue gegenüber meinem Körper, ich bin nicht gut mit ihm umgegangen. Er durfte selten zu seinem Recht kommen. Ich möchte viel mehr auf ihn hören, ihm am besten ganz das Regiment überlassen.

Der Körper ist es, um den es eigentlich geht im Leben (auf der einen Seite). Er ist Träger und Ausdruck der Lebenskraft. Ich muß das noch tiefer begreifen, denn das ist für mich noch recht neu.

Es tut gut, das eigene Ego öffentlich zu demütigen. Es ist unglaublich befreiend. Diese Instanz in meinem Kopf, die sich zum Herrscher über das Leben aufspielt und doch nichts anderes tun kann, als tote Daten zu repetieren und zu interpretieren, ich bin ihrer so überdrüssig. Aber natürlich: solange ich Sätze verwende, die das Wort "ich" enthalten, spiele ich hier nur ein Spiel mit mir selbst. Die Wahrheit liegt jenseits von jeglichem Ich, und da möchte ich gerne hin. Ich möchte dahinkommen, daß "ich" völlig verschwinde.

"Mein" Ego ist arrogant, besserwisserisch, nörgelnd, stark repressiv, manchmal gar zynisch. Und immer wieder dem Hochmut verfallen. Wer diese Krankheit hat, wird sie so leicht nicht los.

Lange Zeit habe ich meine starken Schamgefühle als bestimmend für mein Leben empfunden. Jetzt weiß ich, daß diese den noch tieferliegenden falschen Stolz nur verdeckt haben. Ganz unten liegen Minderwertigkeitskomplexe.

Das ist alles Verstandes-Verstrickung, die schicksalhaft in der frühen Kindheit entstanden ist. Ich verurteile mich dafür nicht (und auch nicht meine Eltern), niemand hat Schuld! Es reicht, daß ich es jetzt anschauen und mich davon lösen kann. Der Verstand kann in seine Schranken gewiesen werden, er muß sich selbst in die Schranken weisen und zurücknehmen, das ist seine Lebensaufgabe. Die Aufgabe des Verstands ist es, sich selbst zu opfern.

Dieser menschliche Organismus hier möchte sich einfach nur entsprechend seiner Wesenszüge frei entfalten.

Und was ich wirklich bin, liegt ja sowieso außerhalb dieser Welt (bisher nur ahnungsweise begriffen).

An den Weihnachtstagen habe ich zwei Beobachtungen gemacht. Die erste Beobachtung war, daß "ich" körperliche Tätigkeiten wie die zahlreichen Festvorbereitungen wirklich völlig mechanisch ausführte, während die Gedanken um völlig andere Dinge kreisten. Wie ich jemals dem Glauben erliegen konnte, irgendein "Ich" würde dabei den Körper steuern, ist mir völlig schleierhaft. Das kann nur an der allgemeinen Hypnose liegen. Bei Arbeiten mit hohem Denk-Anteil (z.B. dem Schreiben am Computer) ist es subtiler, da fällt es nicht so leicht auf. Der Körper arbeitet wunderbar völlig ohne "Ich", das habe "ich" nun staunend und doch völlig folgerichtig beobachten können.

Die zweite Beobachtung, eigentlich mehr eine Empfindung, war: der Weihnachtsbaum und die Geschenke, die vertrauten Rituale, das ist alles eine Illusion, das ist alles gar nicht wirklich. Wie habe ich das so lange für wirklich und für wertvoll halten können? Es ist alles hohl und ohne Substanz, wie konnte mir das so lange entgehen? Andererseits habe ich gemerkt, wodurch ich mich wieder stark an die Welt binde: beispielsweise durch schweres Essen (das fesselt mich geradezu an die Materie), aber auch durch das (unterdessen völlig ungewohnte) Ansehen von zwei Spielfilmen. Die Fiktion des Spielfilms ließ merkwürdigerweise die Fiktion der Alltagsrealität wirklicher erscheinen.

Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich nun schon seit einigen Wochen kein "Ich" mehr, ich vermeide diese Blicke auch geradezu, es ist etwas unangenehm. Ich sehe da ein (von mir!) gequältes Menschenwesen, das einfach nur leben und frei sein möchte.

"Ich" habe sooo eine große Sehnsucht, wieder mit dem Ursprung zu verschmelzen, es wäre so befreiend.

"Ich" sehe aber auch, wo die Verstandesstricke mich noch halten, wo ich noch nicht genug loslassen kann. Da muß weitergebohrt werden.

Für heute abend habe ich kurzfristig meine Lebensgefährtin ausgeladen, wir werden uns erst morgen treffen. Ich verletze sie damit (besser: sie fühlt sich verletzt), das fällt mir schwer, aber ich brauchte heute noch eine Auszeit für mich ganz alleine.

Ich war heute länger als sonst im Wald, eine Stunde lang. Ich folgte einem unbekannten Weg, der Neuschnee reflektierte genug Licht, um gut sehen zu können. Es gibt hier in meiner unmittelbaren Nähe ein sehr kleines, aber sehr kostbares Naturschutzgebiet, ich bin so dankbar dafür. Es ist wunderbar. Offene Heideflächen und Moore, einzelne prächtige Bäume, auch viel Totholz darunter, ein kleines Stück Freiheit ganz in Großstadtnähe, eine Oase des Friedens. 10 Jahre lang wußte ich nichts davon und hatte mir auch vollständig verboten, einen Wald zu betreten (aus perverser Selbstverstümmelung, natürlich vom Verstand konstruiert). Erst seit Beginn dieses Jahres lockere ich die selbsterzeugten Fesseln. Und erst seit wenigen Wochen erlaube ich mir, diesen Ort genauer zu erkunden, vorzugsweise im Dunkeln, denn das befreit mich stärker vom Ego als es bei Tageslicht möglich wäre.

Ich hatte dort heute tiefe Glücksgefühle, obwohl es mir nicht gelang, die Gedanken richtig abzuschalten. Vermutlich ist das heute auch wieder nur eine Erfahrung, die vorübergehen wird. Das wahre Glück und den wahren Frieden gibt es erst jenseits der Dualität, das habe ich jetzt gründlich begriffen. Ich fühle mich nahe dran, aber noch nicht da. Ich bin heute etwas in einem emotionalen Rausch, das ist auch nicht die Wirklichkeit, das ist nur eine Erfahrung in der Dualität – aber heute eine sehr, sehr schöne. :-)

Diese Momente der inneren Einkehr, des Friedens und der Stille, das ist das wahre Leben. Darum geht es, um nichts sonst! In meinem gesamten Leben gab es nur so sehr wenige dieser Augenblicke, aber einige dieser Augenblicke waren in diesem Jahr, und sie häufen sich jetzt. ENDLICH habe ich begriffen, worum es geht! Ich mußte mich über viele Jahre sehr, sehr tief verstricken und zusätzlich vor allem in den letzten Wochen wiederholt sehr tief fallen, um da hinzugelangen, wo ich jetzt bin: sehr nahe an mir selbst dran, vielleicht auch schon da, an einem Zipfel zumindest.

Alles, was Menschen normalerweise für wertvoll halten: es zählt NICHTS, es ist komplett wertlos. Angesichts des Todes zählt es nicht. Was zählen wird, sind einzig die wenigen Augenblicke des Lebens, in denen wirklich gelebt wurde. Und davon bin ich immer noch so weit weg.

Aber ich lasse nicht mehr locker, ich gehe diesen Weg jetzt bis ans Ende, egal, wie schmerzhaft es noch wird (und es war zuletzt brutal schmerzhaft, aber das ist wurschtegal). Heute war ein glücklicher Tag, es war wunderbar! :-)

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