Sonntag, 20. Dezember 2009

Was nun?

Seit gestern abend liegt mein Arbeitsplatzproblem obenauf – und quält mich sehr, ich habe wieder eine depressive Stimmung.

Mein bedrückendstes Gefängnis ist das, das ich 5 Tage in der Woche aufsuchen muß, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen – so habe ich das früher gesehen, aber unterdessen weiß ich, daß das die falsche Sichtweise ist. Das Gefängnis ist nie etwas außerhalb von mir, es ist immer in mir drin. Dieses Gefängnis hat dicke Stahlbetonwände, es engt mich ein und nimmt mir die Luft zum Atmen. Da hilft nur ein Preßlufthammer – aber vielleicht ist das ja auch die falsche Sichtweise, zu hart, zu brutal.

Ich hoffe, die Erschütterung des Egos – nach dem Tod der Ich-Illusion, auch wenn das Ich selber noch nicht gestorben ist - war jetzt so stark, daß auch in dieses unbewegliche Gebilde endlich mal Bewegung kommt.

Ich habe in dem Sterbeprozeß in dieser Woche alles eingesetzt, was ich derzeit einsetzen kann. Ich habe alles geopfert. Mehr geht nicht.

Vor allem habe ich akzeptiert, daß ich ganz allein bin und dieses Problem ganz alleine lösen muß. Es gibt keine Hilfe von außen, niemand kann mir helfen. Und, was noch wichtiger ist: ich habe in einem tieferen Sinn als bisher begriffen, daß die Lösung nicht vom Gehirn kommen kann.

Dazu habe ich mal wieder zeitgerecht die passende Lektüre gefunden, diesmal bei U.G. Krishnamurti (http://www.ugkrishnamurti.net/). Das menschliche Gehirn hat auf einer tiefen Ebene Zugang zu dem gesamten Wissen der Menschheit und zu allen Erfahrungen, die Menschen jemals gemacht haben. Das ist sehr viel, aber das reicht nicht zur Problemlösung, denn es ist alles tote Vergangenheit. Aus toter Vergangenheit kann niemals eine wirklich neue, lebendige, kreative Lösung kommen. Ein Computer kann nicht kreativ sein, er kann nur vorhandene Daten anders zusammensetzen, das ist aber nur ein Aufguß des Bekannten.

Kreativität kommt nur vom Leben selbst, von der universellen Lebenskraft. Das Leben findet immer eine Lösung, dazu braucht man sich ja nur mal im Tier- und Pflanzenreich umzusehen, unter welch unterschiedlichsten Bedingungen und in welcher Vielfalt sich Leben entwickelt. Und das völlig ohne Denken! Das Leben ist ja überhaupt nur deswegen voller Fülle, weil es nicht ausgedacht ist. Das Denken tötet das Leben. Denken ist unfruchtbar.

Ich klammere (immer noch) so schrecklich an dieser vermeintlichen Sicherheit (die in Wahrheit nicht unsicherer sein könnte in der heutigen Zeit): sicherer Arbeitsplatz, sicheres Einkommen, geregelter Tagesablauf ohne Überraschungen, Wiederholung des Immergleichen. Das muß ich alles loslassen, aber wie?

Das Leben hat mich nicht umsonst geschaffen. Es hat irgendeinen Sinn, daß es diesen Organismus gibt. Irgendeinen Platz muß es doch geben, an dem dieser Organismus eine sinnvolle Aufgabe erledigen kann. Eine Aufgabe, die dem Ganzen nützt. U.G. Krishnamurti benutzt das Bild einer Blüte, die einzigartig und einmalig ist. Und diese Blüte will einfach blühen, egal wie widrig die Lebensbedingungen sind. Sie fragt auch nicht nach anderen Blüten. Den vorgefundenen Lebensbedingungen muß sich die Blüte natürlich flexibel anpassen, sonst stirbt sie.

Die Lösung kann nicht in Konzepten und gedanklichen Vorstellungen liegen, die Lösung liegt außerhalb dessen, was das Gehirn erreichen kann. Und sie liegt auch nicht in der Zukunft, sondern immer im Augenblick. Ich muß am Arbeitsplatz in jedem Augenblick alle Vorstellungen davon, wie etwas zu sein oder abzulaufen hat, loslassen. Und dann schauen, ob es einen Impuls aus dem Inneren gibt, einen Impuls vom Leben.

Nach dem Tod der Illusionen und falschen Vorstellungen müßte das Leben eigentlich eine Chance haben. Vielleicht muß ich bezüglich des Arbeitsplatzproblems noch mehr opfern, aber ich weiß im Moment nicht was, und so lasse ich es. Vielleicht muß ich meinen Job kündigen, ohne zu wissen, wie es danach weitergeht. Das wäre für mein Ego sehr schrecklich, denn es würde Existenzangst auslösen. Angesichts des Todes sollte es aber möglich sein, mich dieser Angst zu stellen. Wenn es denn die richtige Lösung ist. Und das weiß ich eben nicht.

Ich kann nichts tun. Ich habe schon alles ausprobiert, was mir eingefallen ist (also alles, was das Denken zu der Problemlösung glaubte beitragen zu können). Ich habe nun auch eingesehen, daß ich sowieso fast gar nichts aus eigenem (Ego/Ich-) Entschluß tun kann. Ich kann nur sehen, wie es ist, und dann kapitulieren. Aber ich weiß nicht einmal, wie die Kapitulation aussieht.

Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Ich habe keine Ahnung. Ich fühle mich sehr klein.

Ich muß das Handtuch werfen, aber ich weiß nicht einmal, wie das geht. Krankmeldung (schonmal ausprobiert, bringt nichts), Kündigung (lange Kündigungsfrist, bringt kurzfristig auch nichts), einfach still am Schreibtisch sitzen und Löcher in die Luft starren (tue ich sowieso seit Monaten immer wieder, das bewegt auch nichts), mich zur Arbeit zwingen (bringt nichts außer Verspannungen und Quälerei), mit meinem Chef reden (habe ich schon gemacht, das brachte mir die Hilfeleistung eines Kollegen ein – etwas, das ich nicht vorausgesehen hatte, das war eine echte Problemlösung, aber eine zeitlich sehr begrenzte).

Wenn NICHTS mehr geht, dann kann ich mich noch in den Weihnachtsurlaub retten. Das bringt Zeitaufschub, aber auch keine Lösung. Vielleicht rede ich nochmal mit meinem Chef, sage ihm, daß mein Gehirn nicht mehr wie früher denkfähig ist und daß es meinem wahren Wesen anscheinend widerstrebt, diese Gehirnakrobatik weiter zu verrichten, dieses Bilden von toten Konstrukten, um tote Daten von A nach B zu befördern. Und dann sehe ich ja, was passiert.

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