Freitag, 18. Dezember 2009

Gehirnzerstörung

"Bedenke Mensch, dass Du Staub bist und wieder zu Staub zurückkehren wirst."

Mit diesen Worten wird in der katholischen Kirche an Aschermittwoch das Aschekreuz ausgeteilt. Während meiner katholischen Phase hatte das eine Wirkung auf mich, aber diese blieb gering und ging vor allem schnell vorbei.

Ich glaube, das liegt daran, daß es nur ein Symbol war, ein einfaches Zeichen – aber keine innere Erfahrung. Das ist jetzt anders. Ich bin einige innere Tode gestorben. Die lassen sich nicht wie ein Aschekreuz leicht wegwischen. Und es ist auch nicht vorbei. Es müssen immer wieder weitere Tode gestorben werden.

Ich stelle aktuell fest, daß ein Gefühl von Stolz sich bei mir nicht mehr halten kann. Wenn es aufsteigt, wird es sofort vernichtet.

Und wenn ich bei anderen Menschen Stolz sehe, dann möchte ich ihnen am liebsten einen Spiegel vorhalten, um sie zu warnen.


"Kehrt um und tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe."

Das würde ich heute so übersetzen: "Dreh Dich um, sieh Deinen Schatten an, sieh, daß er ein Teil von Dir ist. Und dann sieh zurück zu Deinem Ursprung. Wo kommst Du her?"

Daß meine Schatten Teile von mir sind, die integriert werden müssen, weiß ich schon lange. Wenn so ein Schattenanteil auftaucht, nehme ich ihn möglichst ohne langes Zögern an – die bitteren Pillen müssen schnell geschluckt werden, das verringert die Leidensdauer. Damit bin ich aber noch auf der Ebene des individuellen Ichs. Die zweite Frage ist für mich noch sehr neu – und noch nicht vollständig geklärt.

Stimmen denn die Erklärungen, die ich jetzt dazu gelesen habe?

Ich kann nicht leugnen, daß ich existiere, daß ich bin. "Ich bin" ist ein Axiom, das nicht bewiesen werden muß. An meine menschliche Geburt kann ich mich nicht erinnern. Aber angeblich soll sich jeder Mensch daran erinnern können, daß er schon immer existierte, daß er schon immer war – aber nicht als individuelle Existenz, sondern als Ganzes, als Bewußtsein. Aber wenn mir diese Erinnerung fehlt, was dann?

Nach der Theorie, soweit ich diese jetzt verstanden habe, ist die Erinnerung immer präsent. Wenn ich sie nicht wahrnehme, dann liegt das daran, das sie bei mir verhüllt ist - vom Ego. Wenn ich immer mehr Schleier vom Spiegel wische, gibt es irgendwann mal einen klaren Bereich, und in dem kann ich dann mich selbst sehen.


Wenn alle Zweifel ausgeräumt sind, bleibt die Wahrheit übrig. Ich kann mir jetzt ein wenig vorstellen, wie sich der Geist selbst vernichtet. Das muß so ähnlich sein wie jetzt bei mir der Stolz, der sofort vernichtet wird. Wenn alle aufsteigenden Gedanken und Gefühle sofort vernichtet werden, dann bleibt irgendwann nur Leere zurück.


Anderes Thema: es scheint doch darauf hinauszulaufen, daß ich Programmiertätigkeiten nicht mehr in angemessener Zeit ausüben kann. Es ist anscheinend nicht mehr das Ego, das blockiert, es ist mein wahres Wesen. Es geht einfach nicht. Ich mag mich nicht mehr mit Abstraktionen von irgendetwas beschäftigen, das mit mir überhaupt nichts zu tun hat. Es wäre befreiend, wenn ich diese Arbeit nicht mehr tun müßte.

Ich versuche mich zu einer Arbeit zu zwingen, die ich nicht tun möchte. Das klappt nicht.


Ich komme langsam dahinter, was mit "Sei Du selbst" gemeint ist. Das Leben selbst will sich in mir ausdrücken. Das ist eine unpersönliche Kraft, die sich nur insofern "individuell" ausdrückt, als "mein" körperlich-psychischer Organismus halt als Folge seiner genetischen und sonstigen Prägungen funktioniert. Das drückt sich bei "mir" halt leicht abweichend zu anderen Menschen aus.

Ich handele selbstbezogen, aber nicht egobezogen. Nein, es ist noch anders: es gibt selbstbezogene Handlungen, aber ich handele nicht, denn es gibt keinen Handelnden. Dieses Gehirn hier hat Schwierigkeiten, das zu verstehen. Dabei ist es doch eigentlich ganz einfach. ;-) Es gibt überhaupt gar kein Ich, es gibt einfach nur das Leben, das sich selbst lebt. Und "das Leben" ist identisch mit dem einen ICH, das alles umfaßt. Aargh, dieses Gehirn hier wird das nie kapieren – vielleicht ist das ja die Methode es auszuschalten und zu seiner natürlichen Funktion zurückzumutieren?

Noch ein Versuch: das Leben drückt sich in jedem vermeintlichen Individuum unterschiedlich aus, aber alle zusammen ergeben das Ganze. Und jedes für sich ist auch das Ganze. Und das Ganze projiziert sich selbst und lebt in dieser Projektion…

Nein, das ist alles nur dahergebrabbelter Unsinn (ich muß darüber lachen, wenn ich es lese). Ich begreife es nicht. Ich verstehe jetzt den Sinn des Zen-Koans "Wer bin ich?" Wenn ich lange genug darüber nachdenke, dann macht es irgendwann "Puff" und das Gehirn implodiert. Und dann ist das Ich aufgelöst.

Ich habe Kopfschmerzen. Läßt sich der Vorgang der Selbstzerstörung des Gehirns umkehren, so daß es wieder Programmiertätigkeiten ausführen kann? Denn früher hat es doch funktioniert, und sogar sehr gut.

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