Samstag, 26. Dezember 2009

Lebenslektion

1) Eingebung: Ich nehme viel, aber ich gebe wenig.

2) Selbstgespräch: Was tust Du hier im Internet? Du bist wahnsinnig, hier Deine privatesten und persönlichsten Gedanken und Gefühle öffentlich zu machen. Was schreibst Du da, das ist doch total peinlich, damit entwürdigst Du Dich doch. Zieh Dich zurück ins Privatleben und in die Anonymität, lösche diesen Blog.

3) Traum: Ich sitze im Versammlungsraum einer christlichen Gemeinde im Kreis. Ich werde zur Vorsitzenden/Gemeindevorsteherin gewählt. Ich nehme diese Wahl ungerührt zur Kenntnis. Danach kommt der Papst zu mir und schenkt mir eine geweihte Kerze. Ich freue mich, bleibe aber auch hier eher distanziert und ungerührt.


zu 1) Früher hatte ich auch Phasen, in denen ich hilfsbereit und großzügig war. Seit längerer Zeit bin ich überwiegend gierig und geizig. Tut weh, da hinzusehen.

zu 2) Als ich mich gestern abend stark geerdet im Alltagsbewußtsein fühlte, hatte ich diese Gedanken. Es sind Eingebungen des Versuchers, des Satans in mir (des Verstands also). Ich werde ihnen nicht nachgeben, denn ich habe den Sinn eines öffentlichen Tagebuchs jetzt erlebt. Auch und gerade angesichts der Niederlage werde ich weiterschreiben. Denn nur so kann ich über mein Ego hinauswachsen. Oder besser: nur so kann mit dem Ego auch das Ich ganz verlorengehen.

zu 3) Dieser Traum aus der letzten Nacht ist total entlarvend. Ja, so würde ich mich gerne sehen, völlig im Mittelpunkt stehend, selbst der Papst ist mir zu Diensten. Und ich nehme diese Ehrungen dann auch nur eher abweisend entgegen, denn sie stehen mir in meiner Vollkommenheit ja zu. Dieses Zerrbild von mir ist so grotesk, daß es nicht einmal Schamgefühle in mir wachruft – nur schallendes Gelächter. :-) Das ist sooo komisch, besser als jede Komödie. :-) Nein, liebes Ego, hier hast Du Dich gnadenlos selbst überführt – nun kannst Du Dich bitte gerne verabschieden.

Dieser Traum zerstört eine weitere Illusion: bisher habe ich geglaubt, daß aus Träumen eine tiefere Wahrheit spricht, daß Träume kostbar sind. Nun muß ich erkennen: sie sind genauso Verstandesausgeburten wie alle im Tagesbewußtsein erlebten Phantasien und Träume. Beides ist gleichermaßen Anmaßung und Unwahrheit.



Ich bin übrigens völlig im Frieden mit der Entscheidung, daß ich nicht an der Phönix-Schule teilnehmen darf. In jedweder Organisation zum Weg, sei es eine Innere Schule oder sonst etwas, würde meine Aufnahme ein derart aufgeblasenes Ego zur Folge haben (ich würde mich als Teil einer Elite fühlen), daß mich niemals wieder jemand auf den Teppich holen könnte. Man dürfte mich dort erst reinlassen, wenn mein Ego schon ganz gestorben ist – und dann hätte ich die Teilnahme ja nicht mehr nötig. ;-)

Bei mir fallen Anfang und Ziel des Wegs irgendwie in einen Punkt zusammen. Und dazwischen drehe ich sich wiederholende Schleifen. Ich glaube, es ist meine Bestimmung, einen harten und einsamen Weg zu gehen – das hat was mit der Struktur meines Egos zu tun, und es ist weder mein Verdienst noch meine Schuld, es ist einfach mein Schicksal.

Ganz allein könnte ich den Weg trotzdem nicht gehen, das schafft so gut wie niemand. Ich brauche Weggefährten, ich brauche Begleitung, und ich brauche Führung. Ich habe dafür in der Vergangenheit schon bei verschiedenen Menschen angeklopft und bekam dann eine Zeitlang oder sporadisch Unterstützung. Immer muß ich dabei wie eine Bettlerin um Hilfe bitten, nie kann ich irgendeinen Anspruch geltend machen. Es zwingt mich zur Demut, und wenn ich nicht mehr demütig genug bin und mich über den Menschen erhöhe, der mir hilft, dann fliege ich in der ein oder anderen Weise aus dem Kontakt heraus. Das habe ich wiederholt erlebt (auch schon beispielsweise in einer langen Therapie vor weit über 10 Jahren: damals habe ich meinen Rauswurf nicht begriffen und nichts daraus gelernt, das wird mir jetzt sehr schmerzhaft bewußt).

Über diesen Charakterzug kann ich auch nicht lachen, den finde ich widerlich. Der Ablauf ist immer gleich: wenn ich mich hilfesuchend an einen Menschen wende, fühle ich mich zuerst unterlegen. Im Verlauf der Zeit fühle ich mich irgendwann auf Augenhöhe, und dann kippt es, und ich fühle mich überlegen. Dann beginne ich, die Schwächen des anderen wahrzunehmen und blicke verächtlich darauf herab. Das ist ekelhaft, und dafür schäme ich mich abgrundtief.

So hart wie diesmal war es noch nie. Die letzten Wochen waren unglaublich schmerzhaft – und sehr hilfreich, denn einige meiner harten Ego-Schalen sind dabei anscheinend zu Bruch gegangen. Noch nie habe ich im nachhinein so klar gesehen, welches miese Spiel ich gespielt habe. Die Ursache dieses Spiels ist ein tiefsitzender Minderwertigkeitskomplex, aber das ist keine Entschuldigung.

Irgendwann muß ich diese Lebenslektion doch mal kapieren: wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt – als zwangsläufige Folge. Je größer der Hochmut, desto tiefer der Fall. Ist doch ein Scheiß-Spiel! Schöner wäre es doch, sich von vornherein als Mensch unter Menschen zu fühlen, auf gleicher Ebene, denn wir sind alle eins.

Was diesmal anders ist als bei den zahlreichen Runden, die ich vorher gedreht habe: ich bin mir selbst auf den Grund gegangen, ich bin tiefer in mich eingetaucht als je zuvor. Angestoßen durch den mir zuvor völlig fremden, unverständlichen und tief angsteinflößenden Begriff „Ich-Illusion“, angetrieben durch den Hinweis, daß ich nur um die „Scheinwichtigkeit meines eigenen Ichs“ kreise und geführt durch das, was ich dann dazu gelesen habe, habe ich verstanden und ahnend teilweise auch schon erleben dürfen, wer ich wirklich bin: ich bin nicht der Verstand und ich bin nicht dieser Körper. Ich bin davon unabhängig und ich bin verbunden mit dem Ganzen.

Tiefer reicht meine Erfahrung noch nicht, aus der Dualität bin ich noch nicht herausgekommen (nach dem, was ich gelesen habe, müßte die Erfahrung dann aufhören, weil es dann keinen Erfahrenden mehr gibt), aber ich spüre schon einige angenehme Folgen aus dieser ansatzweisen Wiederverbindung mit dem Ursprung: ich fühle mich deutlich freier als vor einigen Wochen, ich habe mehr innere Distanz zu meiner Rolle, ich empfinde zumindest manchmal ein Gefühl von innerem Frieden, und generell scheint die innere Unruhe, die mich so stark angetrieben hat, etwas nachgelassen zu haben. Es ist etwas erreicht worden, der Schmerz war nicht völlig sinnlos, und das macht mich glücklich. Es geht mir gut! Es geht mir überraschend gut angesichts dieser Niederlage, dieses Desasters.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen