Montag, 21. Dezember 2009

Gibt es ein Problem?

So, nun habe ich es getan. Ich habe mich im Blog eines Phönix-Schulmitglieds als eine Art "Leidensgenossin" geoutet – die allerdings außen vor steht.

Hoffentlich hat es einen Sinn, daß ich das getan habe, und war nicht nur purer Egoismus. Ich bin gespannt, ob es irgendeine Reaktion geben wird.

Am Arbeitsplatz wird mir heute bewußt, daß meine Probleme mit meiner Leistungsfähigkeit niemanden außer mich zu interessieren scheinen. Das ist im Konzept einfach nicht vorgesehen. Ich stehe mit einem Bein schon außerhalb der Konzepte – und wundere mich, daß ich mit meiner (von mir so empfundenen) Minderleistung so gut durchkomme (mein Chef hat mir dagegen vor kurzem gesagt, daß er mit mir sehr zufrieden ist, ich weiß allerdings nicht, ob sich das nach meinem Hilfeersuchen neulich geändert hat).

Vielleicht ist die Lösung einfach die, das zu tun, wozu ich in der Lage bin. Und zwar Tag für Tag, ohne Vorplanung und ohne Konzept, wie es weitergeht. Falls irgendwann ein Punkt kommt, an dem mein Vorgesetzter mit meiner Leistung nicht mehr zufrieden ist, dann wird er mir das wohl sagen. Und dann wird mein Organismus darauf irgendwie reagieren – so wie ich es jetzt sowieso nicht vorhersehen kann.

Dieser Mensch hier ist viel intelligenter als das Gehirn, das sich nur einbildet, irgendeine Kontrolle zu haben. Wenn es wirklich an die Existenz gehen sollte – und damit ist nur physische Existenz gemeint – dann wird der Körper reagieren. Aber um physische Existenz geht es ja gar nicht. Ich lebe im Wohlstand. Und dieser Wohlstand würde selbst nach einem Ende dieses Jobs noch längere Zeit anhalten.

Ich habe für nächstes Jahr andere Aufgaben in Aussicht, die nichts mit Programmieren zu tun haben. Wenn ich mich darauf fokussiere (und falls mir das gelingt), dann kann ich ja vielleicht sogar in diesem Job verbleiben.

Denn ich empfinde keinerlei Impuls, Bewerbungen zu schreiben und/oder nach Jobs zu suchen. Im Gegenteil: beides stößt mich ab. Wenn ich keinerlei Begeisterung entwickeln kann, mir etwas Neues zu suchen, und auch keinerlei Begeisterung für das entwickeln kann, was ich derzeit tue, dann kann das Problem doch nur in mir drinnen liegen.

Die Lösung ist nie außen, sie ist immer innen.

Ich glaube ja, daß mich mehr Kontakt zur Natur auch im beruflichen Alltag glücklicher machen würde. Andererseits finde ich es aber auch angenehm, bequem am Schreibtisch zu sitzen.

Das ist eine Deadlock-Situation, ich drehe mich nur im Kreis. Das Gehirn kreist um sich selbst. Wenn es endlich den Löffel abgeben würde, dann würde sich das Problem vermutlich in Luft auflösen. Dann würde es irgendwie weitergehen, von Tag zu Tag, unvorhersehbar.

Ich BIN doch schon an genau dem richtigen Ort. Auch die berufliche Situation hat sich mein Organismus genau so ausgesucht. Es ist vermutlich genau der Kompromiß, der angesichts der unbefriedigenden gesellschaftlichen Situation für mich derzeit der bestmögliche ist. Und wenn mein Organismus in echte Existenzangst (und nicht die eingebildete des Gehirns) käme, dann würde er schon irgendwie reagieren, unvorhersehbar.

Es gibt gar kein Problem, ich mache mir nur eines.

Ich habe immer noch viel Angst vor möglichen physiologischen Veränderungen. Ich habe bei U.G. Krishnamurti gelesen, daß ein Mensch nur frei werden kann, wenn er sich von der gesamten Vergangenheit trennt – nicht nur seiner eigenen, sondern der der gesamten Menschheitsgeschichte. Und das geht nur, indem im Gehirn und in allen Zellen des Körpers eine Umstrukturierung stattfindet. Nur dann gelangt der Mensch in den "natürlichen" Zustand.

Ich weiß nicht, ob ich den haben will. Es erscheint mir so furchteinflößend. Ich habe Angst vor körperlichen Schmerzen. Ich habe Angst davor, daß ich mich nachher selber nicht wiedererkenne. Ich habe Angst davor, daß mich nachher Menschen meines Umfelds nicht mehr wiedererkennen. Ich habe Angst davor, daß die Persönlichkeit verschwindet. Ich habe Angst davor, zu einem bloßen Tier zu werden. Ich habe Angst vor dem Leben.

Ist denn das Leben noch lebenswert, wenn man nicht mehr aufgrund von Erfahrungen, sondern nur noch als Folge momentaner Impulse und der Reaktion darauf lebt? Wenn jeder Augenblick für sich steht, ohne Bezug zum vorhergehenden Augenblick, ist das erstrebenswert?

Aber genau das ist doch Leben. Leben ist unvorhersehbar. Was vorhersehbar ist, ist tot. So tot wie ein Computerprogramm. Es gehen Daten rein, es gibt eine vorgesehene Verarbeitung und es kommt ein vorhersehbares Ergebnis raus. Das ist TOT! Leben ist, wenn ich weder die Verarbeitung noch das Ergebnis vorhersehen kann.

Es gibt etwas in mir, das will leben. Das will frei sein.

Ich weiß nicht, wer gewinnen wird. Die Angst ist groß. Vielleicht finde ich noch eine Lektüre, die mir weiterhilft. Wie haben andere Menschen diese Veränderungen erlebt, und wie ging es ihnen nachher? Also wird das Sterben erst nochmal verschoben, denn es könnte ja noch irgendeinen weiteren Strohhalm geben, an den sich das Ich weiter klammern kann.

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