Dienstag, 29. Dezember 2009

Stille

Gestern abend habe ich mehrere Stunden hochkonzentriert und zügig gearbeitet, um eine Steuererklärung noch fristgerecht zum Jahresende fertigzustellen. Eine äußerst ungeliebte Arbeit, bei der ich aber immer sehr klar meinen "Stundenlohn" in Form einer Steuerrückerstattung vor Augen habe. Solange der für mich stimmt, mache ich mir die Arbeit, andernfalls würde ich es lassen. Hier habe ich jedenfalls keine Konzentrationsprobleme und auch keine Kopfschmerzen. Was mir das in Bezug auf mein Jobproblem sagen will, ist unklar. (Vielleicht folgendes? "Wenn ich wirklich will, dann kann ich auch arbeiten, sogar Kopfarbeit.")

Anschließend, mitten in der kalten Nacht, war dann erstmals seit Tagen wieder die Gelegenheit, alleine in den Wald zu gehen. Die Natur ist dann so unglaublich still, und die Szenerie im Mondlicht so unwirklich. Mir hilft das, der wahren Wirklichkeit näher zu kommen. Die Gedanken kommen zur Ruhe, und das Bewußtsein der Welt um mich herum schrumpft. Wenn ich dann am Wendepunkt meines Spazierwegs einige Minuten still innehalte und die Augen schließe, komme ich immer dichter an mich selbst heran. Es ist unterschiedlich, wie stark mir das gelingt. Die Aufmerksamkeit zieht sich immer mehr zusammen, bis nur noch ich übrigbleibe. Leider will das Ich bisher nicht verschwinden, es ist auch in diesen sehr dichten Momenten immer noch da.

Hundegebell aus unklarer Entfernung schreckte mich auf, ich machte mich hastig auf den Rückweg. Ich glaube, es sind Jäger im Wald unterwegs, denen möchte ich ungern begegnen (nicht, daß sie mich für ein Wildschwein halten, sowas soll es schon gegeben haben ;-)).

Als ich wieder zu Hause war, folgte ich einem inneren Impuls und erstellte eine Liste mit rund einem Dutzend Erfahrungen, die ich nächstes Jahr gerne machen möchte. Ganz überwiegend waren das Seminare oder ähnliche Veranstaltungen, an denen ich gerne mal teilnehmen möchte, als lediglich ein Punkt taucht auch ein berufliches Praktikum auf. Diese Liste war nicht vom Verstand konstruiert, sie erwuchs aus der Stille. Daß sie etwas mit meinem gestrigen Thema Lebenskraft zu tun hat, wurde mir erst hinterher klar. Diese Seminare würden mir Freude machen und so blockierte Energie wieder ins Fließen bringen.

Ich gehe meist mit der Frage nach meiner Berufung in die Stille. Es gibt einfach keine klaren inneren Signale dazu. Das war ja schon während meiner Visionssuche im Sommer mein Problem. Vielleicht muß ich ja doch da ausharren, wo ich jetzt bin – obwohl ich zum Sprung unterdessen (fast) bereit wäre. Eine andere Möglichkeit, die ich schon oft erwogen habe, wäre eine Teilzeit-Tätigkeit, die mir mehr Zeit für meine wahre Berufung, die Selbsterkenntnis, geben würde. Denn mit "Selbsterkenntnis" kann man heutzutage wohl kaum seinen Lebensunterhalt verdienen (und es zu tun, wäre ja auch ein wenig anrüchig).

Heute war ich den ganzen Tag mit anderen Dingen beschäftigt, am frühen Abend dann erneut im Wald. Diesmal schreckten mich an meinem Ort der inneren Einkehr zunächst Geräusche und diesmal dann tatsächlich ein freilaufender Hund auf (ob der meine Angstfreiheit testen sollte? Ich hatte Angst, aber keine Panik), gefolgt von zwei Spaziergängern. Viel Ruhe hatte ich dort also nicht, ich kehrte dann sofort um.

Danach kam mir in den Sinn: vielleicht kann mein Ich noch nicht sterben, weil ich noch einige Erfahrungen im Leben machen muß, die mir bisher fehlen. Dazu passen auch die Seminare, die ich mir ausgeguckt habe.

Andererseits hatte ich bereits vor vielen Wochen von tief innen das sehr starke Bedürfnis, mich hinzugeben und zu opfern. Zu dem Zeitpunkt wußte ich noch überhaupt nicht, worum es geht, und mißinterpretierte den inneren Drang (ich dachte, das sei was Sexuelles). Unterdessen habe ich ja einiges dazu gelesen (aktuell lese ich: "Selbsterkenntnis und die Erfahrung der Leere", Gerd-Lothar Reschke). Ich habe es jetzt so verstanden: das Selbst steuert die Entwicklung des Menschen. Und zu irgendeinem Zeitpunkt strebt das Ich sein eigenes Opfer an, um sich dem Ganzen hinzugeben.

Wo in diesem Prozeß ich derzeit stehe, weiß ich nicht. Meine Einschätzung schwankt ständig. Einerseits bin ich gerade wieder ganz an den Anfang zurückgeworfen, andererseits bin ich anscheinend auch schon sehr weit.

Ich werde jetzt regelmäßig Stille suchen, so gut es möglich ist, um den Botschaften aus meinem Inneren mehr Chance auf Gehör zu geben.

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